Burgdorf
Freitag, 12.11.2021 - 18:03 Uhr

In der Gartenstraße und der Wallgartenstraße wurden Stolpersteine verlegt

In der Wallagrtenstraße 38 mahnen die Stolpersteine an die ermordeten Burgdorfer Einwohner. Die Steine werden in der kommenden Woche endgültig verlegt.Aufn.:

BURGDORF

Gegen 11 Uhr hielt am heutigen Freitag, 12. November 2021, der rote Lieferwagen mit Vogelsberger Kennzeichen des Künstlers Gunter Demnig vor der Gartenstraße 44. Es hatte sich schon eine große Gruppe von etwa 35 interessierten Burgdorferinnen und Burgdorfern, darunter auch Bürgermeister Armin Pollehn, sowie Schülerinnen und Schüler der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule und des Gymnasiums mit ihren Lehrkräften eingefunden.

 

In bekannt unaufgeregter Art ging Gunter Demnig ans Werk, um die ersten drei Stolpersteine für Margarethe Cohn, Hildegard Cohn und Heinz Cohn zu verlegen, während vier Gymnasiastinnen den Anwesenden Informationen zum Schicksal dieser drei Menschen vortrugen.

 

Der nicht ganz 13-jährige, geistig behinderte Heinz Cohn wurde am 27. September 1940 im Kontext der Nationalsozialistischen Krankenmorde in der Tötungsanstalt Brandenburg, damals euphemistisch "Landespflegeanstalt" genannt, ermordet. Seine Mutter Margarethe und die jüngere Schwester Hildegard wurden am 15. Dezember 1941, also vor 80 Jahren, von Hannover in das Ghetto Riga deportiert. Dort sind beide umgekommen.

 

Renate Wagner-Redding, die Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Braunschweig, erzählte den Zuhörenden, dass ihre Mutter und Großmutter für Margarethe und Hildegard Decken und Wäsche in das sogenannte Judenhaus in der Lützowstraße 3 brachten, wo die beiden zuletzt gezwungenermaßen wohnten. Hildegard hatte eine Weile bei den Großeltern von Renate Wagner-Redding gelebt, weil die unverheiratete Mutter arbeiten musste. Der Großvater Hermann war ein Vetter von Margarethes Vater, Nathan Carl Cohn; seine Mutter Lina stammte aus Burgdorf. Hermann lebte in einer sogenannten Mischehe mit einer Nicht-Jüdin, Dora geb. Oeschmann. Deshalb waren Cohns in Hannover zu dieser Zeit noch von vielen gegen Juden und Jüdinnen gerichteten Maßnahmen nicht betroffen und konnten helfen. Renate Wagner-Redding bedankte sich ausdrücklich für den Beitrag der Schüler und Schülerinnen. Die Beschäftigung mit den Schicksalen jüdischer Menschen vor Ort sei die beste Prävention gegen Antisemitismus. Eine der Besitzerinnen des Hauses, Rita Smits, hatte Fotografien der drei ermordeten Menschen gerahmt und mitgebracht, so dass die Anwesenden auch einen visuellen Eindruck von den Verfolgten und Ermordeten mitnehmen konnten.

 

Bei der zweiten Verlegstelle, Wallgartenstraße 38, wurde der Familie Emil Cohn gedacht, die auch schon im Mittelpunkt der Gedenkveranstaltung am Vorabend im Ratssaal gewesen war. Schüler der Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule erzählten vom Schicksal der in Sobibor 1943 ermordeten Tochter Emil Cohns, Gertrud. Mit ihr kamen ihr Mann Adolph de Vries und ihre erst acht Monate alte Tochter Rita Ilse um. Emil Cohn, seine Frau Berta und die vier Söhne, Walter, Heinz, Werner und Rudolf konnten noch im Januar 1941 nach Argentinien fliehen, die zweite Tochter Lotte ging bereits 1939 nach London. Sie haben zwar nicht ihr Leben, aber doch ihre Heimat und ihre Existenz verloren und mussten einen schweren und entbehrungsreichen Neuanfang in der Fremde wagen. Die Steine hier konnten wegen technischer Schwierigkeiten mit dem Untergrund nicht endgültig verlegt werden. Dieses werde in der kommenden Woche nachgeholt.

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