Burgwedel
Freitag, 15.10.2021 - 16:59 Uhr

Burgwedeler Sven Harder berichtet über die Unterstützung im Ahrtal

Das Team der 4Drive, die sich um Transportmöglichkeiten von Personal und Material im "Krisengebiet" kümmern, zusamemn mit Sven Harder und der Übergabe des Transporters (von links): Daniel, Kevin, Sven und Jessica.Aufn.:

BURGWEDEL

In einem Erfahrungsbericht erzählt der Burgwedeler Sven Harder über eine Spendenaktion, die aus der Region Hannover ins Ahrtal führte.

 

Deswegen haben wir für das Ahrtal Spenden gesammelt:

 

Über Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 verloren tausende Menschen im Ahrtal ihr Zuhause, ihre Arbeit, ihre Nachbarn oder ihr eigenes Leben. Eine Flutwelle zerstörte über ein Dutzend Orte, die nicht viel kleiner waren als die unserer Gemeinde Burgwedel. Massive Stein- und Fachwerkhäuser sind in der Mitte durchgebrochen, zahlreiche Brücken weggespült, Gleise und viele asphaltierte Straßen existieren nicht mehr.

Wie kleine Spenden Betroffene glücklich machen:

 

Am 9. Oktober 2021 sollte nur der alte Transporter gespendet werden. Für den Verwerter zu schade, für die StVO leider nicht mehr zulässig, aber als Transporter für Werkzeug und Baumaterial erfüllt er sein Zweck vollkommen.

Aus dieser Spende wurde spontan eine Spendenaktion und es kam so einiges zusammen. Die Mittelständischen und Kleinunternehmen aus Burgwedel und Bissendorf, die wir anriefen, haben sich spontan alle beteiligt. Viel Werbung gab es nicht, aber es reichte aus, um zwei Transporter und einen Anhänger mit Hilfsgütern zu beladen.

Ein Teil der Pflanzen, die ein befreundeter Florist spendete, wurde mit Freude von einem älteren Ehepaar angenommen, um wieder etwas Farbe in ihrem Garten zu bringen. So berichtete mir meine Schwester, die für eine Woche im Ahrtal aushalf.

Man muss es selbst erleben, um es zu erfassen!

 

Noch immer liegen abgeknickte Laternen wie entwurzelt am Straßenrand, als wir mit dem PKW nur durch drei Orte im Ahrtal fahren. Überall lärmen Bohrhämmer, Meißel und große Maschinen, die entweder Häuser sanieren oder gänzlich abreißen. Markierungen an Häuser erinnern mich an das Triage-System aus der Militärmedizin, die Sachverständige anbrachten, um eine Übersicht der Schäden zu ermitteln. Bäume, Trümmer und Autos blockierten in den Anfangswochen die Straßen und Wege durch die wir fahren, es waren die Landwirte, die als erstes vor Ort die Trümmer bargen, um die Ortschaften wieder zugänglich zu machen. Die Dankbarkeit an die "Helfer der ersten Stunde" ist enorm.

Teile der zweispurigen "Marienthaler Straße", die geschätzte 5 Meter über dem Flussufer war, wurde wortwörtlich vom Erdboden verschluckt. Ein Bauunternehmer ließ kurzerhand eine Spur aufschütten und neu asphaltieren und regelte den Verkehr mit einer Baustellenampel, die Helfer sparen dadurch ein Umweg von über 30 Kilometer.

"Ich finde es sind die kleinen Dinge, alltägliche Taten von gewöhnlichen Leuten, die die Dunkelheit auf Abstand halten. Einfache Taten aus Güte und Liebe." Aus J. R. R. TOLKIEN "DER HOBBIT".

Was man nie vergessen darf ist, dass dank des Einsatzes der vielen Helfer noch nach der Flut, durch Zuhören und präsent sein, Leben gerettet wurden. Aus Gründen der Privatsphäre möchte ich auf einige Schilderungen allerdings verzichten.

Die meisten der Helfer kommen aus der Zivilbevölkerung und opfern ihre Überstunden und Urlaubstage, um im Ahrtal anzupacken und jede Minute fühlt sich für sie richtig an. So hört man es überall von den Helfern und das sagen sie mit einer erstaunlichen Begeisterung und Überzeugung, als ob es schon immer so sein sollte.

Was für eine wohltuende Atmosphäre in der Luft liegt, man spürt sie sofort, sie motiviert und treibt einen an, man spricht vom sogenannten Ahrtalfieber. Es bereichert ein.

Es ist so einfach zu helfen...

...und jeder könnte. Deswegen betrifft es uns alle.

Ob im "Baustoffzelt Kaiser-Walporzheim", wo täglich Baustoffe, Elektrogeräte und Pflanzen ankommen und abgeholt werden, wo Menschen wegen einer Jacke oder Arbeitsschuhe Freudentränen vergießen.

Oder in der danebenliegenden "Helfer Werkstatt", die in den ersten Tagen der Flut zahlreiche Traktoren zum Laufen brachten und noch immer Fahrzeuge für Anwohner und "4Drive" reparieren. 

In den "Versorgungszelten" der Ortschaften, in denen alle etwas zu essen, zu trinken und am wichtigsten einen Mitmenschen zum Zuhören bekommen. Nur um ein paar Stationen zu erwähnen.

Überall herrscht die gleiche enorme Begeisterung und Dankbarkeit. Sehr viele der Helfer kommen wieder, um es noch mal zu "spüren". Man wird sofort aufgenommen.

Andy aus Lüdenscheid ist selbst vom Hochwasser betroffen und hat schon seine vierte Woche als Helfer im Ahrtal. Andy sprach mich an, weil er einen Transporter für gespendete Wäsche benötigte.

Uschi fährt jeden Samstag ins Ahrtal um zu helfen, sie war an den verschiedensten Orten im Einsatz und hat einen Heimweg von rund 50 Minuten. Ihren Geburtstag feierte sie still am 17. Juli im Ahrtal.

Micha und Inga, sie Floristin und er bei der Feuerwehr, waren zusammen am Tag 5 mit dem "Roten Kreuz" ins Ahrtal geschickt worden. Sie sammeln regelmäßig gespendetes Material und stehen mit Handwerkerinnungen in Verbindung. Micha und Inga fahren rund 600 km von Büsum nach Walporzheim.

Es kommen Helfer aus allen Bundesländern, Irland, Dänemark, den Niederlanden, der Schweiz oder Österreich. Im Baustoffzelt sind täglich ca. 20 –bis 35 Helfer im Einsatz und es darf nicht enden!

Wir werden noch mal ins Ahrtal fahren...

Für mich waren es nur ein paar Stunden im Ahrtal, viel zu viele Eindrücke und viel zu wenig Zeit diese einfach so zu verarbeiten.

Zuhause angekommen wirkte es für mich irgendwie nicht mehr selbstverständlich heile Türen und Fenster in sauberen Hauswänden zu sehen, Menschen die lachend aus dem Restaurant kamen und sich verabschiedeten. Es geht um so vermeintlich einfache Dinge wie ein warmes Bett, fließend Wasser und eine Toilette, Dinge die wir zum Glück haben und andere verloren.

Ich danke allen Menschen, denen ich im Ahrtal begegnet bin und hoffe euch gesund wieder zu sehen. Danke an "Der Kaiser", der mit einer kleinen Idee und einer Bierbank, so vielen Menschen den Anstoß für Hoffnung gegeben hat.

Ein Kommentar von Sven Harder