Sehnde
Donnerstag, 01.12.2016 - 06:14 Uhr

Iltens Barockorgel hat mindestens zwei Väter: Jonas Weigel und Christian Vater

Ein Schatz mit vielen Alleinstellungsmerkmalen

Die Weigel-Vater-Orgel in der Iltener Kirche.Aufn.: KG-Ilten/Schönbeck

ILTEN

In der Barockkirche Ilten ist ein für die Orgellandschaft der Region Hannover bedeutendes Juwel wiederentdeckt worden. Neue Untersuchungen des mehrere hundert Jahre alten, denkmalgeschützten Kircheninstruments in dem Sehnder Ortsteil haben im Verlauf des vergangenen Jahres überaus spannende historische Details zutage gefördert.

 

Bei Vorarbeiten für die Renovierung wurden an mehreren Orgelpfeifen Hinweise gefunden, dass sie von Christian Vater stammten. Der war seinerzeit Hof-Orgelbaumeister der Hannoverschen Kurfürsten. Er hatte in Hamburg bei Arp Schnitger gelernt, dem bedeutendsten Orgelbauer des Hochbarock und Begründer einer Orgelbauepoche, die heute als die norddeutsche Orgelbauschule eingeordnet wird.

 

Vater-Orgelpfeifen in der Iltener Orgel - sollte das heißen, dass das Instrument, das ursprünglich 1652 vom Braunschweiger Meister Jonas Weigel geschaffen worden war, später - vermutlich im Zuge des Kirchenbaus 1723 - von Vater um- oder gar neugebaut wurde? Bis dato waren in den Archiven der Kirchengemeinde und der Landeskirche keine erhärtenden Fakten gefunden worden.

 

Nach der Entdeckung der Vater-Signaturen an alten Orgelpfeifen durchforstete der Orgelsachverständige Axel Fischer erneut das Iltener Kirchenarchiv und wurde in bisher nicht berücksichtigten Akten fündig. Vaters Urheberschaft ist von Zeitzeugen belegt und damit der Nachweis für sein Wirken in Ilten erbracht.

 

Damit wird die Iltener Orgel zu einer herausragenden Besonderheit. Denn obwohl Christian-Vater-Orgeln einen hervorragenden Ruf haben, sind sie nur sehr selten im vollumfänglich spielbaren Zustand erhalten. Große und wertvolle Instrumente etwa in Hannovers Marktkirche oder Clemenskirche wurden von Weltkriegsbomben zerstört. Erhaltene Vater-Orgeln gibt es in Norddeutschland nur in Gifhorn, Wiefelstede und Bockhorn.

 

Seit mehr als zwei Jahren bemüht sich die Kirchengemeinde Ilten, die Orgel grundlegend zu renovieren, zum ersten Mal nach rund 40 Jahren, in denen das Instrument nur regelmäßigen Wartungen und Stimmungen unterzogen worden war. Durch die Entdeckung der "Vater-Vaterschaft" erhält dieses Vorhaben jedoch eine neue Dimension.

 

"Dieses Juwel ist ein echter Orgelschatz mit vielen Alleinstellungsmerkmalen, der wieder zu klingendem Leben erweckt werden muss", betont Axel Fischer. Als Kantor und Orgelsachverständiger gehört er zum Sachverständigenausschuss, den das Landeskirchenamt für die Vorbereitung und Begleitung der Orgelrenovierung eingesetzt hat.

 

Die notwendigen restaurativen und instand setzenden Arbeiten an der Christian-Vater-Orgel in Ilten werden sich nun an ihrer Bedeutung als musikalischem Denkmal und dem Qualitätsanspruch ihres Erbauers orientieren. Das Ausschreibungsverfahren dafür ist eingeleitet. Die Fachwerkstätten, die diese Restaurierung leisten können, sind zumeist auf viele Monate hinaus ausgebucht, so dass mit den Arbeiten in Ilten wohl frühestens in der 2. Jahreshälfte 2017 oder gar erst im Jahr darauf begonnen werden kann.

 

Die Kosten sind derzeit nur grob zu schätzen, werden aber wahrscheinlich einen höheren fünfstelligen Euro-Betrag erfordern. Hinzu kommen weitere Ausgaben für Nebenarbeiten an der Statik und zur Vorbeugung gegen Schimmelbefall im Inneren des Instruments. Einen Teil der Aufwendungen wird von der Landeskirche getragen. Die Kirchengemeinde Ilten muss ihren Anteil im Wesentlichen aus Spendengeldern und Fremdmitteln, beispielsweise aus Denkmalstiftungen, einwerben.