Burgdorf
Montag, 25.06.2018 - 11:34 Uhr

Neue Ausstellung in der KulturWerkStadt: "Die Letzten ihrer Art"

Vom 30. Juni bis zum 2. September/Beiprogramm startet am 8. Juli:

Buchdrucker Fred Benecke.Aufn.:

BURGDORF

"Die Letzten ihrer Art" nennt sich die neue Ausstellung, die der VVV, der Förderverein Stadtmuseum und die Stadt Burgdorf vom Sonnabend, 30. Juni, bis zum Sonntag, 2. September, in der KulturWerkStadt, Poststraße 2 in Burgdorf,  präsentieren. Im Fokus stehen die Auswirkungen des gesellschaftlichen Wandels auf althergebrachte Handwerkskünste und auf das Freizeitverhalten. An das 10-jährige Bestehen der KulturWerkstadt im August 2018 erinnert eine kleine Sonderausstellung. Für die Zusammenstellung sind Kristine Bäuerle, Gerhard Bleich und Burkhard Wolters verantwortlich. Fördernde Unterstützung leisten die Stadtsparkasse Burgdorf und die Region Hannover. Die kulturgeschichtliche Schau ist sonnabends und sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Zur Ausstellung gibt es ein attraktives Beiprogramm, dass am Sonntag, 8. Juli, um 14 Uhr mit einem "Tag des Buchdrucks" startet. Die Besucher haben dabei die Gelegenheit, dem Buchdrucker Fred Benecke bei der Herstellung einer traditionellen Druckvorlage und deren Ausdruck über die Schultern zu schauen. An allen Tagen ist der Eintritt frei.

 

Sieben Vertreter des alten Handwerks

Die moderne Gesellschaft war zunächst im Zeitalter der Industrialisierung und aktuell im Zeitalter der Digitalisierung einem permanenten Wandlungs- und Umbruchsprozess unterworfen. Der rasante technologische Fortschritt führte zu erheblichen Veränderungen in der Berufswelt. Die Ausstellung zeigt auf, dass davon auch die traditionellen Handwerkszweige betroffen waren, die in der Neuzeit entweder fast gänzlich verdrängt worden sind (unter anderem Stellmacher) oder nur noch von wenigen kundigen Experten vor dem endgültigen Aussterben bewahrt werden. Als Letzte ihrer Art stellt die Schau einige von ihnen mit informativen Schautafeln und sehenswerten Exponaten aus ihrem Tätigkeitsumfeld vor. Beteiligt sind der Buchdrucker Fred Benecke, der Imker Arwid Strelow, der Drechsler Lothar Ostheider, der Besenbinder Leo Beigel und die Mützenmacherin Annika Beneke.

 

Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen

Im Mittelpunkt steht auch der Wandel der gesellschaftlichen Anschauungen und dessen Einfluss auf das private Umfeld der Menschen. Ansichten und Verhaltensweisen, die früher einmal allgemeine Anerkennung genossen, galten nach einer Trendwende plötzlich als altmodisch, unmodern und nicht mehr zeitgemäß. Wer sich der neuen Zeitströmung entgegen stellte, musste damit rechnen, belächelt zu werden und als weltfremd zu gelten. Als repräsentative Beispiele greift die Ausstellung aus dem Bereich des Sportes das Kegeln und aus der Entwicklung des Spielverhaltens den Umfang mit Zinnfiguren auf.

 

Seit den Wirtschaftswunderzeiten in den 1950er Jahren entwickelte sich das Kegeln zu einer der beliebtesten Freizeitaktivitäten und zu einer Art Volksbewegung der Deutschen. Dies führte zur Gründung zahlloser Gruppierungen wie dem Verein Burgdorfer Kegler (1962), der in seinen Glanzzeiten bis zu 300 Mitglieder zählte.

 

Negativtrend führt zu Mitgliederschwund

Nachdem über einen langen Zeitraum die Mitgliederzahlen in den Kegelvereinen kontinuierlich anstiegen, kehrte sich die Entwicklung in den 1980er Jahren langsam und bis heute fortdauernd wieder um. Diese Abwärtstendenz führte für die meisten Kegelclubs zu Mitgliederschwund und massiven, anhaltenden Nachwuchsproblemen. Ein Hauptgrund für diese Entwicklung liegt sicherlich darin, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für das Kegeln schlagartig nachließ. Ein rational nachvollziehbarer Grund lag dafür nicht vor. Die Sportart galt von nun an als spießig und piefig. Demzufolge litt sie gegenüber populären Sportfeldern wie dem Fußball unter einem massiven Ansehensverlust.

 

Manfred Stockmann, seit 2013 1. Vorsitzender des Vereins Burgdorfer Kegler, kämpft seit Jahren mit großem Ehrgeiz gegen diesen landläufigen Negativtrend an. Er versucht, für den Kegelsport verlorenes Terrain zurückzuerobern und ihm wieder neue Anerkennung zu verschaffen. Dabei geht es darum, das in der Öffentlichkeit vorherrschende abwertende Bild vom Kegeln zu revidieren und neue Mitglieder zu gewinnen, damit der Verein nicht irgendwann als Letzter seiner Art die Aktivitäten einstellen muss.

 

Zinnfiguren bevölkerten die meisten Kinderzimmer

Vergleichbar drastische Popularitätseinbußen betrafen die Zinnfiguren, die besonders ab der Wende zum 20. Jahrhundert ein beliebtes Spielzeug waren, das in fast allen Kinderzimmern zu finden war. Wenn vor allem die Jungen historische und militärische Szenen nachstellten, sollte dies nicht nur die Phantasie anregen, sondern gleichzeitig eine pädagogische Erziehungsfunktion ausüben. Als Folge des gesellschaftlichen Wandels, der auch das Spielverhalten der Kinder beeinflusst, sind in der heutigen Zeit Zinnfiguren fast in der Bedeutungslosigkeit versunken und zu einer Randerscheinung degradiert. Sie sind zunächst von Lego- und Playmobil-Spielzeug oder anderen moderneren Spielmöglichkeiten und danach durch die allgegenwärtigen digitalen Medien ins Abseits verdrängt worden.

 

Zinnfiguren ziehen meist nur noch ältere Sammler wie den in der Ausstellung vorgestellten Burgdorfer Horst Hübner in den Bann. Ihn prägt eine lebenslange Sammelleidenschaft für die Zinnfiguren, die mit der Übernahme der Betreuung der Burgdorfer Zinnfigurensammlung im Jahr 1977 ihren Höhepunkt erreichte. Bis heute sorgt er als einer der Letzten seiner Generation dafür, dass die über die Jahre permanente wachsende Sammlung als größte in kommunalem Besitz für die Nachwelt erhalten bleibt und ausgewählte Exponate in regelmäßigen Ausstellungen des VVV wie in der aktuell in der KulturWerkStadt gezeigten zu sehen sind.