Sehnde
Freitag, 20.05.2022 - 09:37 Uhr

Sehndes Bürgermeister Olaf Kruse im Interview zu Bauprojekten in der Stadt

SEHNDE

Herr Kruse, aktuell gibt es so viele Themen und vor allem kostenintensive Projekte, die in Sehnde diskutiert werden. Die Bevölkerung beschwert sich - auch in den sozialen Medien - über die Vielzahl der Projekte, die hohen Investitionen und das Gefühl, die Verwaltung gebe das Geld mit vollen Händen aus.


Zwar kann sich jeder Interessierte auf der Homepage über einzelne Projekte und Beschlussvorlagen informieren, aber vielleicht geben Sie einmal einen Überblick, erläutern die Projekte, Zeitpläne und Zusammenhänge.

 

"Gerne! Tatsächlich ist im Moment viel los und wir bearbeiten und diskutieren in Verwaltung und Politik viele Bauplanungen und -projekte, allesamt wichtige Vorhaben zur Entwicklung unserer Stadt, die nicht selten in Zusammenhang stehen und insgesamt betrachtet werden müssen.

 

Für die Häufung der Themen gibt es unterschiedliche Gründe, auf die ich nachfolgend auch noch eingehe, aber grundsätzlich möchte ich vorwegschicken, dass es auch meine Art und mein Selbstverständnis der Verantwortung eines Bürgermeisters ist, Themen und Probleme anzupacken, auszudiskutieren, Lösungen zu finden und diese dann auch umzusetzen (zuhören - entscheiden - umsetzen).

 

Manchmal muss die Lösung dann leider das Beenden von Planungsphasen sein. So ist mir der Vorschlag für den Stopp der Planungen für das Familienzentrum mehr als schwergefallen, zumal ich das Familienzentrum in meiner aktiven Zeit als Ratsmitglied mit angeschoben habe und es eine echte Herzensangelegenheit für mich war und auch noch ist.

 

Die Umsetzung von Projekten fußt aber auf Vereinbarungen aller Beteiligten und in diesem Fall war eine Einigung mit den beteiligten Kirchenämtern in einer für den Abschluss einer Erbbaurechtsvereinbarung einzuplanenden Zeit leider nicht möglich - im Gegenteil, im Laufe der vielen Planungsjahre ist es uns nicht gelungen, unsere Interessen einzubringen und einen Konsens für den notwendigen Erbbaurechtsvertrag herzustellen. Erst jetzt, nach vielen Monaten, in denen sowohl ein persönlicher Austausch in mehreren Gesprächen stattgefunden hat als auch zahlreiche E-Mails versandt worden sind, stehen wir nach vielen Zugeständnissen unsererseits kurz vor der endgültigen Formulierung bestimmter Vertragsinhalte.

 

Hier wurden von den Beteiligten -oberhalb der örtlichen Ebene- Entscheidungen so lange hinausgezögert, dass die inzwischen eingetretenen Kostensteigerungen auch vor dem Hintergrund darauffolgender, jahrzehntelanger Vertragsbindungen nicht mehr hinnehmbar waren.

 

Gemeinsam mit der Politik haben wir dann mit dem Projektabbruch eine aus Kostengründen tatsächlich notwendige Entscheidung getroffen.

 

Ich gebe die Hoffnung auf ein Familienzentrum für Sehnde aber nicht auf - wir müssen nur neue Lösungen finden, werden das Projekt aber aktuell nicht angehen. Dafür haben wir aber viele andere Vorhaben und - wie viele andere Kommunen auch - einen Sanierungsstau aus den vergangenen Jahren aufzuholen.

 

Viele Investitionsmaßnahmen wurden in den vergangenen Jahrzehnten geschoben oder nicht angegangen. Das tat dem Haushalt der jeweiligen Jahre unterm Strich gut, aber wir alle wissen, dass sich notwendige Projekte nicht von selbst erledigen. Es war immer klar, dass uns diese Handlungsweise irgendwann auf die Füße fällt.

 

Nebenbei ist Sehnde deutlich gewachsen, die Nachfrage nach Wohnraum ist nach wie vor groß und Politik und Verwaltung haben das Ziel, dem Anspruch an eine Familienstadt gerecht zu werden. Erfreulicherweise hat sich Sehnde als eine der im Altersdurchschnitt jüngsten Kommunen auch weiterentwickelt und die Nachfrage nach Kinderbetreuungsplätzen ist groß. Hier gehen Nachfrage und Angebot so weit auseinander, dass wir unserer eigenen Erwartung nicht gerecht werden. Da gibt es nichts schönzureden: die Betreuungsquote für unsere jüngsten SehnderInnen ist aktuell schlecht.

 

Im Bereich der Kinderbetreuung fehlen uns zum Beginn des neuen Kindergartenjahres Betreuungsangebote für zwei Kindergarten- und zwei Krippengruppen. Diesen Fehlbedarf können wir kurzfristig nicht ausgleichen.

 

Wir wollen hier dringend für Abhilfe sorgen und haben die notwendigen Beschlüsse und Maßnahmen auch schon rechtzeitig in den vergangenen Jahren auf den Weg gebracht, aber hier kommen - wie bei so vielen Projekten - nun die Probleme im Baugewerbe hinzu und sorgen für deutliche Verzögerungen und Kostensteigerungen der bereits angeschobenen Baumaßnahmen.

 

Mit der Johanniter Unfall Hilfe realisieren wir im Wohnquartier Masch-Höfe in Sehnde und im Neubaugebiet Rethmar-West neue Kindertagesstätten mit jeweils zwei Krippen- und vier Kitagruppen. Im Zuge der Baumaßnahmen Südtorfeld an der Friedrich-Ebert-Straße wird der Kindergarten Ladeholzstraße sein neues Quartier finden und aus den mobilen Raumeinheiten an der Breiten Straße ausziehen können. Der neue Kindergartenstandort wird sich -ähnlich wie an den Masch-Höfen- im Gesamtkomplex der investorengegründeten Baumaßnahme befinden und den Quartiersgedanken mit einem generationenübergreifenden Miteinander erlebbar machen.

 

Die Eröffnungen sind im Sommer 2023 (Masch-Höfe) und in Jahr 2024 (Rethmar und Südtorfeld) geplant.

 

Die Bedarfsplanungen für die Grundschulen im Kernort sehen in den nächsten 5 Jahren dauerhaft einen sechs-zügigen Betrieb (sechs Klassen je Jahrgang) vor.

Derzeit werden in der Astrid-Lindgren-Grundschule zwei Klassen je Jahrgang beschult und in der Grundschule Breite Straße werden es ab diesem Sommer durchgehend vier Züge sein. Bislang konnten an der Grundschule Breite Straße alle Klassen untergebracht werden. Das wird sich in diesem Sommer ändern.

 

Wir haben geprüft, ob durch eine Änderung der Schulbezirke die Zahlen der SchülerInnen zwischen den beiden Schulen so umverteilt werden können, dass keine größeren baulichen Maßnahmen notwendig sind. Das ist aber eine reine Raum-Schülerzahl-Betrachtung, die keine freien Kapazitäten für Differenzierungen, Fach- und Förderunterricht vorsieht. Mal abgesehen von der Nichtbeachtung der heute zu berücksichtigenden pädagogischen Anforderungen und der fehlenden Ausstattungen. Im Zuge der Ausweitung der Betreuung im Rahmen der Verlässlichkeit und Ganztagsbetreuung ist die reine Zahlenbetrachtung eine Sichtweise, die zum Wohl der jüngeren SehnderInnen für uns nicht in Betracht kommt.

 

Wir planen hier eine mit der Politik noch im Detail zu diskutierender möglicher Anpassung der Zügigkeit und damit einhergehende zukunftsorientierte Raumlösungen. Dafür müssen wir aber noch einige Vorarbeiten leisten, Vergleiche anstellen und Lösungsansätze ausloten. Bis dahin planen wir mit einer Interimslösung, die auch im Bereich der Kindertagesstätten noch einmal Bauverzögerungen abfedern kann und soll.

 

Mit dem Abbruch des baufälligen Gebäudes der Kindertagesstätte Ladeholzstraße schaffen wir Platz für mobile Raumeinheiten auf städtischem Gelände und wollen hier zunächst Raum für zwei Schulklassen der Grundschule, für zwei Kitagruppen und zwei Krippengruppen schaffen. Wieder nur eine Interimslösung, die sich aber durch die Neubauten der Kindertagesstätten und die in Planung befindlichen Lösungen für die Grundschulen im Kernort auch wieder erledigen wird und in Anbetracht der aktuellen Situation notwendig ist.

 

Auch der Neubau der Grundschule in Ilten befindet sich als großes Projekt aktuell in der Planung. Hier folgte nach einer Gegenüberstellung Anbau vs. Neubau der politische Auftrag an die Verwaltung den Neubau zu realisieren.

 

Wir sind gerade dabei im Rahmen der Standortsuche mit den EigentümerInnen potenzieller Flächen zu verhandeln. Zum Glück steht für die VerhandlungspartnerInnen, mit denen wir aktuell im Gespräch sind, deutlich das Gemeinwohl und ein guter Schulstandort für Ilten im Fokus, sodass wir zeitnah mit belastbaren Ergebnissen rechnen.

 

Auch bei diesem Projekt handeln wir leider aus der Not heraus, denn die Raumknappheit und Sanierungsnotwendigkeit war allen Beteiligten bekannt und absehbar und aus den als Übergang geplanten mobilen Raumeinheiten auf dem Schulgelände wurde eine Einrichtung für viele Jahre. Eine Raumlösung, die uns auch Probleme mit der Bauaufsicht einhandelt, denn Interimslösungen dürfen nicht zu Dauerlösungen werden und die notwendigen Baugenehmigungen werden dementsprechend immer nur für kurze Zeiträume erteilt.

 

Dass Notlösungen und notdürftige Reparaturen an Gebäuden langfristig Sanierungen unmöglich machen können zeigt der Fall der Sporthalle Dolgen. Hier wurden Sanierungen so lange geplant und im Zuge von Reparaturen so viele neue Gebäudemängel offengelegt, dass ein Neubau am Schluss komplett alternativlos war. Mit dem Beschluss für den Neubau haben wir nun aber auch die Chance auf eine ordentliche und konsequente Umsetzung hin zu einer Dolgener Sporthalle für den Freizeitsport und den Kindergarten.

 

Die Planungen rund um ein Feuerwehrgerätehaus für den Kernort, die Entwicklung von Gelände und Gebäuden des ehemaligen Bundessortenamtes und des ehemaligen Avacon-Standortes an der Peiner Straße, die Raumnot der technischen Einheiten der städtischen Gesellschaften und die wegen eines hohen Sanierungsbedarfs notwendige Neuplanung der Unterbringung des Baubetriebshofes hängen unmittelbar zusammen. Hier bedingt die Entwicklung einer Maßnahme direkt und nicht selten auch zwingend das Angehen einer anderen Maßnahme.

 

Die Verwaltung hat der Politik vorgeschlagen, die bestehende und sich in der Grundsubstanz gut geeignete Halle auf dem Gelände des ehemaligen Bundessortenamtes als neuen Standort für ein Kompetenzzentrum mit Räumen für die Tafel, die Kleiderkammer und das Stadtarchiv sowie Beratungs- und Sozialräume umzubauen.

 

Mit dem geplanten Umzug der sozialen Einrichtungen (Tafel und Kleiderkammer) würde der Weg frei werden für Umbau- und die Umnutzungsplanungen der ehemaligen Avacon-Gebäude. Hier sollen zukünftig die technischen Einheiten der städtischen Betriebe (Energieversorgung, Stadtwerke) und der städtische Baubetriebshof ihren Sitz erhalten.

 

Durch dieses Projekt würden wir den akuten Raumbedarf der städtischen Betriebe und die auf der aktuellen Fläche nicht realisierbaren und notwendigen Umbauten und Sanierungen des Baubetriebshofes lösen. Die über 30 Mitarbeitenden des Baubetriebshofes nutzen zurzeit Räumlichkeiten, die der Arbeitssicherheit nur schwer genügen. Insbesondere die hier inzwischen im technischen Bereich tätigen Mitarbeiterinnen müssen mit einer Dauer-Interimslösung zurechtkommen.

 

Mit dem Umzug des Baubetriebshofes würde Platz für ein Feuerwehrgerätehaus in Sehnde Mitte geschaffen werden. Die Planungen sehen hier vor, dass auf der freiwerdenden Fläche des Baubetriebshofes dann das neue Feuerwehrgerätehaus gebaut werden würde. Das alte Feuerwehrhaus würde während der Bauphase bestehen bleiben und so könnten Neubau und Feuerwehrdienst parallel betrieben werden. Der neue Feuerwehrstandort würde der alte bleiben, aber mit mehr Fläche und Möglichkeiten für die Belange der Ortsfeuerwehr und der Stadtfeuerwehr.

 

So wird aus einer ganzen Menge an Projekten eigentlich ein großes Projekt für viele Institutionen und jedes Teilprojekt bedingt zwingend das andere. Das birgt viele Möglichkeiten und Synergien, aber auch einige Stolpersteine und Sand im Getriebe sind nicht ausgeschlossen.

 

So ähnlich - Zug um Zug - ist auch die Planung für den Teilbereich Rathausneubau und Neubau Edeka aus dem Projekt 'Neue Mitte'.

 

Aufgrund der Wirtschaftlichkeitsuntersuchung (Sanierung, Umbau, Neubau) hat die Politik die Verwaltung mit den Planungen für einen Rathausneubau beauftragt. Dieser könnte nun gemeinsam mit dem geplanten Neubau für den Edeka-Markt direkt in der Mittelstraße realisiert werden. Notwendig ist dafür ein Standortwechsel Rathaus - Einzelhandel und eine mehrjährige Interimslösung für den Edeka-Markt.

 

Ein großes und wegweisendes Projekt für unser Ortszentrum, das zwei große Projekte inkludiert, die beide nicht mal eben nebenbei gestemmt, sondern wohlüberlegt, gut abgestimmt und gut geplant werden müssen. Hier finden Sie alle Planungsunterlagen, jederzeit aktualisiert unter Opens external link in new windowwww.sehnde.de/neuemitte.

 

Das sind die aktuell größten und weitreichendsten Maßnahmen, die wir -zusätzlich zum normalen Arbeitsalltag- planen und bearbeiten. Viele bedingen sich, hängen zusammen und bedürfen einer Sicht auf das große Ganze. Politik und Verwaltung sind gefordert, entscheiden und arbeiten für die Zukunft unserer Stadt. Nicht alle Maßnahmen sind dem Sanierungsstau geschuldet und wir brauchen manchmal Mut und manchmal Zuversicht bei den auch kostspieligen Entscheidungen. Alle Maßnahmen sind auf die Zukunft ausgerichtet. Wir können Sehnde nicht weiterentwickeln und wachsen lassen ohne auch die notwendige Infrastruktur mitwachsen zu lassen und anzupassen. Die Nutzungszeit von Einrichtungen ist endlich und nicht selten sind Neubauten -gerade auch vor dem energetischen Hintergrund - sinnvoller, nachhaltiger und günstiger als sich häufende dauerhafte Sanierungen.

 

Dass die Fülle der Maßnahmen mit den aktuellen Herausforderungen in der Baubranche und den Auswirkungen eines schrecklichen Krieges in Europa zusammenfallen, konnten wir nicht vorhersehen und wir müssen schauen, welche Auswirkungen die Entwicklungen auf unsere Planungen haben.

 

Die Herausforderungen des Klimawandels und die damit verbundenen Notwendigkeiten stehen für uns bei jedem Projekt mit in der Planung. Photovoltaik, Energieeffizienz und eine zukünftige fossile Unabhängigkeit sind oberes Ziel beim Betrieb unserer Einrichtungen und bei der Umsetzung unserer Projekte."