Wedemark
Montag, 09.10.2023 - 11:02 Uhr

Kläranlage Bissendorf: Der neue Faulturm steht

Finale Phase der Modernisierung läuft – Fertigstellung auf Mitte 2025 terminiert

Der neue Faulturm und das neue Maschinengebäude.Aufn.: Gemeinde Wedemark

18 Millionen Euro investiert die Gemeinde Wedemark in die Ertüchtigung ihrer Kläranlage in Bissendorf. Dort werden täglich 3.500 Kubikmeter Abwasser aus fast allen Ortsteilen der Wedemark energieeffizient aufbereitet. Dann kommen die neuesten technischen Verfahren zum Einsatz. Jetzt ist auch der neue Faulturm fertig.

BISSENDORF

Weithin sichtbar erhebt er sich über den Anlagen der Kläranlage Bissendorf, da wo einst ein Nachklärbecken zu finden war: Der neue Faulturm. Noch ist er eingerüstet, doch nicht mehr lange, denn die Bauarbeiten zumindest an diesem imposanten Teil der Kläranlage sind nahezu abgeschlossen. "12,50 Meter hoch ist der Turm insgesamt, aber davon sind nur 11 Meter über der Erde", erklärt Henning Luttermann, Geschäftsführer der Wedemark Abwasser GmbH. Der Außendurchmesser des runden Stahlbetonbauwerks beträgt 14,50 Meter, der Innendurchmesser 13,50 Meter, das Fassungsvermögen 1.300 Kubikmeter. So passt theoretisch der Inhalt von etwa 11.000 Badewannen in den fertigen Turm.

 

Mehr als 1.230 Kubikmeter Faulschlamm werden aber in der Regel nicht im Turm gelagert, denn das Restvolumen ist Gasraum. Was im Faulturm passiert, ist nämlich unsichtbar: Ähnlich wie in einer Biogasanlage vergärt der Klärschlamm, er "fault" bei gleichbleibenden 38 Grad Celsius über einen Zeitraum von etwa 20 Tagen aus. Das dabei entstehende Klärgas wird im eigenen Blockheizkraftwerk (BHKW) im Maschinenhaus nebenan zur Produktion von Strom und Wärme genutzt. Das BHKW wird aber erst im nächsten Jahr zum Ende der Bauzeit errichtet. "So wird dann aus dem Energieverbraucher Kläranlage ein nachhaltiger Energieproduzent", erläutert Henning Luttermann, denn auch die Photovoltaikanlagen auf dem Dach der Schlammhalle, die in den nächsten Monaten noch durch weitere Anlagen auf den Pultdächern der Neubauten ergänzt werden, produzieren Strom.

 

Um die Kläranlage autark zu betreiben, reicht allerdings der selbst produzierte Strom nicht aus, so Luttermann. Er schätzt den Anteil der Eigenproduktion auf rund 60 bis 70 Prozent des zukünftigen Bedarfs.

 

Mit der Fertigstellung des Faulturms ist ein wichtiger Meilenstein der finalen Phase des Kläranlagenumbaus in Bissendorf erreicht. Im September 2020 hatten die ersten Bauarbeiten begonnen, Mitte 2025 soll die Erweiterung und Ertüchtigung der Kläranlage, die mit Ausnahme von Resse das Abwasser aus allen Ortsteilen der Wedemark entsorgt, abgeschlossen sein.

 

Voraussichtlich 18 Millionen Euro hat die Gemeinde dann in die Modernisierung der Kläranlage investiert. Seit Juli 2022 ist das neue Rechengebäude in Betrieb. Der Sandfang wurde saniert, ein wenig erhöht und neu beschichtet. Wo vorher ein Nachklärbecken warn, erhebt sich jetzt der Faulturm, gleich daneben steht die neue Maschinenhalle. Die besondere Herausforderung dabei: Während der Bauarbeiten und Verfahrensänderungen läuft der Betrieb weiter.

 

3.500 Kubikmeter Abwasser inklusive Grobstoffe und Sand kommen über die Druckrohrleitungen täglich im Klärwerk in Bissendorf an und durchlaufen zunächst die mechanische Vorreinigung mit Rechen und Sandfang. Zukünftig wird das Abwasser dann in die Vorklärbecken fließen, wo die organischen Substanzen durch Absatzvorgänge entzogen werden. Der hierbei entstehende sehr energiereiche Primärschlamm wird zusammen mit Überschussschlamm und im Sand- und Fettfang separiertem Fett in den Faulturm transportiert.

 

Die nächste Station – die Belebungsbecken – sind noch im Bau. Zurzeit läuft der Abriss der alten Becken: Die riesige Baugrube im Zentrum des Kläranlagengeländes ist nicht zu übersehen. Bagger sind gerade damit beschäftigt, sie weiter zu vertiefen. Fast sechs Meter Tiefe und ein Volumen von rund 8.000 Kubikmeter Erdaushub sind das Ziel. Der alte Beton wird zerbrochen und in Stücken rausgeholt. Zwei neue Becken mit 5.500 Kubikmeter Volumen entstehen. Und nach Fertigstellung kann der Betrieb dann komplett zweistraßig laufen, um mit mindestens 80 Prozent einen eventuellen Ausfall einer Straße zu kompensieren. Spätestens mit Beginn des dritten Quartals 2024 soll dann auch ein neues Nachklärbecken errichtet werden. Mitte 2025 wird die Modernisierung dann abgeschlossen sein. Rechnet man die Errichtung der Schlammhalle mit, hat die Ertüchtigung dann insgesamt sechs Jahre gedauert.

 

Nicht alles wird auf der Kläranlage erneuert. So bleibt unter anderem das alte Backsteingebäude stehen, in dem die Filtration untergebracht ist. Noch wird diese für die Nachreinigung genutzt. Später wird sie nicht mehr benötigt, soll aber als Reserve erhalten bleiben und vielleicht einmal für mögliche weitere Reinigungsstufen genutzt werden. Das geklärte Abwasser verlässt die Kläranlage nach geplant 24 Stunden in den Johannesgraben. Herzstück der neuen Kläranlage werden Belebungsbecken und Steuerungstechnik sein, im Mittelpunkt der Zielvorgaben wird die Energieeffizienz stehen.

 

Aber außer der Filtrieranlage trifft man auf dem Kläranlagengelände noch weitere "alte Bekannte": Die drei Türme für den Überschussschlamm im vorderen Bereich. Sie fallen durch ihre bunte Bemalung auf. Sie werden auch künftig als Puffer und Ausgleich erhalten bleiben. Ihre Bemalung war ein Projekt der achten Klassen der damaligen Konrad-Adenauer-Hauptschule. 19 Schüler hatten mehr als eine Woche lang mit ihren Kunstlehrerinnen Nadine Cornelius und Heike Hartung mit diesem Projekt eine bleibende Erinnerung an die Schule geschaffen.