Burgdorf
Montag, 09.10.2023 - 14:48 Uhr

Ausstellung im Stadtmuseum in Burgdorf widmet sich Günter Grass

BURGDORF

Der Schriftsteller, Bildhauer, Maler und Grafiker zählt zu den bedeutendsten deutschen Vertretern der Nachkriegsliteratur. Er begann seine schriftstellerische Laufbahn als Lyriker und als Mitglied der "Gruppe 47". Mit Werken wie "Die Blechtrommel" (1959), "Der Butt" (1977), "Die Rättin" (1986) oder "Ein weites Feld" (1995), fand er internationale Anerkennung, die ihm 1999 den Nobelpreis für Literatur einbrachte.

 

Günter Grass wurde am 16. Oktober 1927 als Sohn polnisch-deutscher Eltern in Danzig geboren. Die Eltern betrieben im Danziger Stadtteil Langfuhr ein Kolonialwarengeschäft. Von der Hitlerjugend zunächst nicht gerade begeistert, meldete er sich 1944 zur Wehrmacht. Nach Einsätzen als Luftwaffenhelfer und im Reichsarbeitsdienst wurde er am 10. November im Alter von "17 Jahren" als Ladeschütze zur 10. Panzer-Division "Frundsberg" der Waffen-SS einberufen. Nach einer Verwundung am 20. April 1945 bei Spremberg wurde Grass am 8. Mai bei Marienbad gefangen genommen und war bis zum 24. April 1946 in amerikanischer Kriegsgefangenschaft. Nach der Entlassung arbeitete Günter Grass im Kalibergbau bei der Burbach AG in Groß Giesen bei Hildesheim als "Koppeljunge". Auf der Suche nach seiner Familie begann er in Düsseldorf ein Praktikum beim Steinmetzbetrieb Julius Göbel am Werstener Friedhof, das ihm bei der Aufnahme an der Kunstakademie hilfreich war. Von 1948 bis 1952 studierte Günter Grass an der Kunstakademie in Düsseldorf Grafik und Bildhauerei bei Josef Mages und Otto Pankok. Sein Studium setzte er von 1953 bis 1956 an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin als Schüler des Bildhauers Karl Hartung fort. 1954 heiratet er die Schweizer Ballettstudentin Anna Margareta Schwarz. Aus der Ehe gingen vier Kinder hervor. Günter Grass lebte mit seiner Familie bis 1959 in Paris und zog 1960 erneut nach Berlin in die Niedstraße 13 wo, nach den Zwillingen Franz und Raoul, die Tochter Laura geboren wurde. Die Familie wuchs, als Anna den Sohn Bruno 1965 zur Welt brachte.

 

Seit 1972 lebten Anna und Günter Grass getrennt und wurden 1978 geschieden. Die Kinder Helene und Nele gingen aus den Beziehungen mit der Architektin und Malerin Veronika Schröter und der Lektorin Ingrid Krüger hervor. 1979 heiratete Günter Grass die Organistin Ute Grunert, die selbst zwei Söhne in die Ehe mitbrachte.

 

In dem autobiographischen Roman "Die Box" lässt Günter Grass seine sechs leiblichen Kinder und die Söhne von Ute Grass als "seine acht Kinder" auftreten. Von August 1986 bis Januar 1987 lebte Günter Grass zusammen mit Ute Grass in Indien.

 

In den Jahren 1956/57 begann Grass neben ersten Ausstellungen von Plastiken und Graphiken in Stuttgart und Berlin schriftstellerisch tätig zu werden. 1956 debütierte er als Lyriker, 1957 als Dramatiker und Librettist von Balletten. Bis 1958 entstanden vorwiegend Kurzprosa, Gedichte und Theaterstücke, die Grass dem poetischen oder absurden Theater zuordnet. Schon mit seinem ersten Roman "Die Blechtrommel", der während seiner Aufenthalte in Frankreich und der Schweiz entstanden war, gelang dem damals erst 31 Jahre alten Grass 1959 der literarische Durchbruch.

 

Günter Grass unterstützte über Jahrzehnte die SPD in den Wahlkämpfen und als Redenschreiber, unter anderem für Willy Brandt, dem er persönlich verbunden war. Er wurde erst 1982 Parteimitglied und blieb es bis 1993. In den Jahren1965/1969 und 1972 beteiligte er sich an Wahlkampftouren der SPD. Mittels offener Briefe und Reden zu politischen Themen verschaffte er sich über seine schriftstellerische Tätigkeit hinaus Gehör in der Öffentlichkeit. 1974 trat Grass aus Protest gegen die Haltung der Bischöfe in der Frage des Abtreibungsrechts und der geforderten Abschaffung des § 218 aus der römisch-katholischen Kirche aus. Gemeinsam mit Heinrich Böll, Carola Stern und anderen gab er die viermal jährlich erscheinende Zeitschrift L´80 heraus.

 

Eine Zusammenarbeit mit dem Jazzmusiker Günter Sommer ab 1985 brachte mehrere Tonträger hervor, auf denen der Schriftsteller zu Perkussionsmusik von G. Sommer aus seinen Werken liest. 

 

Die Günter und Ute Grass Stiftung gründete 1997 die Stiftung zugunsten des Romavolkes, die den Otto-Pankok-Preis vergibt, zu Ehren seines ehemaligen Lehrers und als Engagement zu Gunsten der Sinti und Roma.

 

Günter Grass lebte von 1987 bis zu seinem Tod in Behlendorf im Kreis Herzogtum Lauenburg in der Nähe der Kreisstadt Ratzeburg, etwa 25 Kilometer südlich von Lübeck. In Lübeck befindet sich das Günter-Grass-Haus mit dem überwiegenden Teil seiner literarischen und künstlerischen Originalwerke.

 

Günter Grass starb am 13. April 2015 im Alter von 87 Jahren in einem Lübecker Krankenhaus an den Folgen einer Infektion. Er wurde auf dem Friedhof in Behlendorf beigesetzt. 

 

Der Kulturverein Scena im VVV in Burgdorf zeigt vom 18. November 2023 bis zum 28. Januar 2024 einen Querschnitt durch das Lebenswerk des Künstlers. Zu sehen sind etwa 60 Grafiken, Aquarelle und zahlreiche Bronzeobjekte. Außerdem werden in Form eines vorwiegend bibliografischen Querschnitts über 30 Themen aus seinem Leben präsentiert, die bisher weniger bekannte Seiten des Künstlers beleuchten. Unter dem Titel "Die Zusammenführung der Ausdrucksformen" (ohne die Tinte zu wechseln), findet die Ausstellungseröffnung am Freitag, 17. November 2023, um 18 Uhr im Burgdorfer Stadtmuseum in der Schmiedestraße 6 statt. Die Eröffnungsansprache hält die Kunst- und Literaturwissenschaftlerin Adeline Henzschel M.A. aus Göttingen. Die Öffnungszeiten sind sonnabends und sonntags von 14 bis 17 Uhr.

 

"Unser Dank gilt der Günter Grass Stiftung in Lübeck und speziell Frau Hilke Ohsoling für die freundliche Unterstützung und Überlassung der Stiftungsgüter", so der Kulturverein Scena.

 

Begleitend zur Ausstellung werden in der Neuen Schauburg in Burgdorf einige Verfilmungen von Günter Grass´ Werken gezeigt. Eine Lesung mit dem Schauspieler Carl-Herbert Braun aus dem umfangreichen lyrischen Nachlass des Künstlers ist für Anfang des Jahres 2024 im Stadtmuseum geplant.