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Freitag, 22.09.2023 - 15:58 Uhr

Region Hannover: Immer mehr Singles, aber wollen wir das wirklich?

Liebe viele Gesichter und muss nicht immer mit einer Partnerschaft einhergehen. Beziehungen sehen heute häufig anders, freier, aus.Aufn.: Pixabay.com © JesseDotExpert CCO Public Domain

REGION

Hannovers pulsierendes Herz schlägt im Takt von Geschäftsleben, Kultur und Bildung. Die Region ist nicht nur ein Magnet für Talente und Suchende aus Deutschland, sondern auch aus der ganzen Welt. Genauso vielfältig, wie die beruflichen Möglichkeiten und die bunte Kulturszene, ist auch das Beziehungsleben: Immer mehr Menschen gehen ihren Weg als Singles, ein Phänomen, das sich in vielen deutschen Städten beobachten lässt.

 

Immer mehr leben allein: Region Hannover wird zur Single-Hochburg

Mehr als die Hälfte der Haushalte in Hannover sind Single-Haushalte. In einigen Stadtteilen, wie Mitte, Linden-Limmer und Südstadt-Bult, steigt dieser Anteil sogar auf beeindruckende 60 Prozent. Interessant ist, dass in den älteren Stadtvierteln überwiegend Frauen alleine wohnen, während jüngere Stadtgebiete einen höheren Anteil an alleinlebenden Männern aufweisen. Zwischen 30 und 59 Jahren scheint dann wieder das Familienleben im Vordergrund zu stehen, da hier der Single-Anteil sinkt.

 

Dem entgegen steht ein weiterer Trend: die wachsende Zahl der Single-Haushalte bei den über 60-Jährigen. Für Betroffene ist es oft schwer, den Lebensabend allein zu gestalten. Schließlich haben viele bereits zuvor jahrzehntelang in einer Partnerschaft gelebt. Zahlreiche Gemeinden möchten ihre Bürger unterstützen und bieten viele Projekte gegen Einsamkeit im Alter und für mehr Miteinander. So gibt es etwa regelmäßig einen Adventskaffee für reifere Singles in Sehnde und der näheren Umgebung.

 

Klick und Flirt: Neue Wege, die Einsamkeit zu beenden

Dank Online-Dating-Plattformen und Apps ist es heute einfacher denn je, neue Menschen kennenzulernen. Das virtuelle Flirten und Chatten hat für viele den traditionellen Kaffeeklatsch oder den Spaziergang im Park ersetzt. Während einige online nach der großen Liebe suchen, möchten andere einfach nur neue Freundschaften schließen oder sich spontan verabreden.

 

Das Internet öffnet zudem Türen zu einer Welt des Entdeckens und Erlebens eigener Wünsche und Vorlieben, sei es durch den Kauf eines neuen, spannenden Spielzeugs, das Stöbern in Erwachseneninhalten bei Erobella in Hannover oder durch anregende Gespräche in Foren und Chats. Mittlerweile gibt es solche Angebote nicht nur für jüngere Singles, sondern auch für reifere Alleinstehende. Einige Plattformen haben sich sogar auf Singles in der zweiten Lebenshälfte spezialisiert und bieten Kontaktmöglichkeiten für gemeinsame Freizeitgestaltung oder andere Aktivitäten.

 

Beziehung ist längst nicht mehr Priorität

Liebe, Beziehungen und das moderne Leben – man könnte sagen, dass sich unsere Herzen heutzutage ein wenig anders verhalten. Viele genießen die Freiheit und den Raum, sich selbst zu entdecken, anstatt sich in traditionelle Bindungen zu begeben.

 

Jan Eckhardt, ein Soziologe aus Heidelberg, hat eine interessante Studie durchgeführt, die ein wenig Licht ins Dunkel bringt. Zwar basiert seine Arbeit auf Daten, die einige Jahre zurückliegen, und konzentriert sich nur auf heterosexuelle Beziehungen, aber sie liefert dennoch einige aufschlussreiche Erkenntnisse. Zwischen 1993 und 2009 stieg die Single-Quote bei Menschen unter 60 Jahren um bemerkenswerte 8,5 Prozent. Demografische Verschiebungen könnten dabei eine Rolle spielen, insbesondere angesichts des Rückgangs der Geburtenraten nach den Babyboom-Jahren der 1960er.

 

Aber da ist noch mehr. Die Tatsache, dass Frauen heute mehr arbeiten und ein eigenes Einkommen haben, verändert die Dynamik. Es gibt weniger Druck, in einer Beziehung zu bleiben, nur weil sie finanzielle Sicherheit bietet.

 

Viele Männer haben eine falsche Beziehung Realität

Insbesondere Männer scheinen mit neuen Herausforderungen konfrontiert zu sein, die aus einem Wandel traditioneller Geschlechterrollen resultieren. Greg Matos, ein US-amerikanischer Psychologe, beleuchtet genau diese Dynamik und stellt fest, dass viele Männer in ihrer Beziehungsrealität unzufrieden sind.

 

Matos prägte den Begriff "relationship-skills-gap", um die Kluft in der Beziehungsfähigkeit von Männern zu beschreiben. Es geht dabei um die Diskrepanz zwischen dem, was viele Männer aufgrund ihrer Erziehung in Bezug auf Beziehungen gelernt haben, und dem, was moderne Beziehungen heute von ihnen fordern. Diese Kluft kann sich als Schwierigkeit manifestieren, auf die veränderten Erwartungen von Frauen zu reagieren. Es sind nicht nur die Erwartungen, die sich geändert haben, sondern auch das Selbstverständnis der Frauen selbst. Sie suchen vermehrt nach Partnern, die emotional präsent sind, gut kommunizieren können und ihre Werte teilen.

 

Auch die bekannte britische Psychologin Dr. Julia Shaw spricht darüber, dass alte Vorstellungen über Mann und Frau nicht mehr so passen wie früher. Viele Männer, die mit diesen alten Vorstellungen groß geworden sind, finden es manchmal schwer, sich in der heutigen Zeit zurechtzufinden, vor allem in Beziehungen. Es ist, als ob sie eine alte Landkarte für eine veränderte Landschaft benutzen würden. Es kann verwirrend sein, wenn das, was sie gelernt haben, nicht mehr so gut funktioniert.

 

Nicht jeder Topf findet seinen passenden Deckel

Viele Menschen verbringen viele Jahre allein, auch wenn sie sich nach einem Partner sehnen. Stefanie Stahl, renommierte Psychologin und erfolgreiche Autorin, beobachtet bei diesen Personen oft ähnliche Muster, die ihre Ursprünge in der Kindheit haben.

 

Zahlreiche Singles sind allein, weil sie es unbewusst so wollen. Ja, sie haben eine innere Verweigerungshaltung, beispielsweise durch Angst. Eine der zentralen Ängste ist die Angst vor Verlust. Menschen mit geringem Selbstwertgefühl fühlen oft, dass sie nicht ausreichen und dass sie, wenn der Partner sie wirklich kennenlernt, verlassen werden könnten. Sie manifestiert sich in Beziehungen auf verschiedene Weisen. Einige spüren ihre Verlustangst so intensiv, dass sie lieber gar keine Beziehung eingehen, aus Angst, verletzt zu werden.

 

"Schwächen-Zoom": Wir suchen akribisch nach Fehlern beim Partner

Viele Menschen haben in ihrer Kindheit gelernt, sich ständig an die Erwartungen ihrer Eltern anzupassen, um geliebt zu werden. Für diese Menschen kann eine Beziehung schnell als beengend empfunden werden, da sie ihre eigenen Bedürfnisse ständig zurückstellen.

 

Stahl beschreibt auch ein Phänomen, das sie als "Schwächen-Zoom" bezeichnet. Dabei handelt es sich um den Moment in einer Beziehung, in dem kleinere Unzulänglichkeiten des Partners plötzlich ins Zentrum der Aufmerksamkeit rücken, was zu einer emotionalen Distanzierung führt und oft das Ende der Beziehung bedeutet.