Burgdorf
Mittwoch, 13.09.2023 - 10:22 Uhr

Bauhof-Neubau: FDP sieht finanzielle Überforderung der Stadt

FDP-Fraktion im Rat der Stadt Burgdorf sieht bei einem Beschluss für den Neubau des Bauhofes eine finanzielle Überforderung der Stadt Burgdorf. Schnelle und kostengünstige Alternativen hat die Stadtverwaltung nicht untersucht. Die FDP-Fraktion appelliert an die wirtschaftliche Vernunft und Verantwortung der Ratsmitglieder. "Die Gesamtkosten für Bau und Finanzierung dürften etwa 40 Millionen Euro erreichen", so die Liberalen. "Aus Sicht der FDP-Fraktion einfach zu viel", erklären die Liberalen in einer Pressemitteilung.

BURGDORF

"Alle vertretbaren Möglichkeiten zur sparsamen Bewirtschaftung der Haushaltsmittel (sind) auszuschöpfen" - ist die Ansage der Kommunalaufsicht an die Stadt Burgdorf in ihrem Schreiben vom 8. Mai dieses Jahres im Zusammenhang mit der Genehmigung des Haushalts 2023/24. "Für den Bürgermeister der Stadt Burgdorf gilt der Appell der Kommunalaufsicht, die Möglichkeiten sparsamer Bewirtschaftung der Haushaltsmittel auszunutzen, offenbar nicht", ärgert sich die FDP-Fraktion.

 

"Stattdessen beantragt der Bürgermeister die Zustimmung des Rates für den Bau eines Bauhofs, der den für 2023/24 beschlossenen Haushalt sprengen wird", so Mario Gawlik, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat der Stadt Burgdorf. Er sieht hierbei nicht nur die erhebliche Investitionssumme von etwa 25 Millionen Euro kritisch, sondern insbesondere den Umstand, dass dieser Neubau ausschließlich schuldenfinanziert sein wird und allein die jährlichen Zinszahlungen zwischen 1,2 und 1,4 Millionen Euro liegen werden. Dr. Karl-Heinz Vehling, stellvertretender Fraktionsvorsitzender, ergänzt, dass man davon ausgehen kann, dass der Neubau nebst Zinsen die Stadt mindestens 40 Millionen Euro kosten und damit die zukünftigen Haushalte extrem stark belasten wird. Nicht nur die Kommunalaufsicht, sondern auch die Freien Demokraten sehen die Finanzlage der Stadt Burgdorf äußert kritisch und den Handlungsrahmen "in den nächsten Jahren ernsthaft gefährdet".

 

Vor diesem Hintergrund hat die FDP in dieser Woche vor den entscheidenden Beratungen über den Beschluss zum Neubau des Bauhofes noch einmal alle Fraktionen im Rat der Stadt Burgdorf mit dem folgenden Text angeschrieben, um ihre Position für die Ablehnung des Neubaus zu erläutern und an die wirtschaftliche Verantwortung aller Ratsmitglieder zu appellieren:

 

"Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen aus dem Rat der Stadt Burgdorf, ...

Von sparsamer Bewirtschaftung der Haushaltsmittel keine Spur. Den Antrag der FDP aus dem Januar 2023, Investitionskosten bei Bauprojekten um 30% zu senken, lehnte der Bürgermeister mit Zustimmung der Ratsmehrheit ab. Der Vorschlag der FDP, sparsame Alternativen zur Luxusvariante des Bauhofs zu erarbeiten und z.B. die Beseitigung der katastrophalen hygienischen Zustände in den Sanitärbereichen durch Container schnell und günstig zu lösen - ohne nachvollziehbare Gründe abgelehnt. Dabei könnte die Containerlösung die katastrophalen hygienischen Verhältnisse viel schneller in wenigen Wochen verbessern. Dafür ist eine Investition von über € 20 Millionen (der Burgdorfer Anzeiger spricht von 26 Mio.) gar nicht erforderlich. Der Bürgermeister entzieht sich der Aufgabe, dem Rat für die Lösung der Bauhofproblematik mindestens 2 Optionen anzubieten. Eine sachliche Abwägung von mindestens zwei Lösungen desselben Problems ist für die entscheidenden Ausschüsse und den Rat unmöglich, weil der Bürgermeister und seine Verwaltung sich der Erarbeitung und sachlichen Erörterung einer geeigneten haushaltsschonenden 'Sparvariante' verweigern.

 

Der Bürgermeister und seine Verwaltung, vielleicht auch einige Ratsmitglieder, wollen in den politischen Gremien eine haushaltsschonende Lösung offenbar nicht mehr diskutieren, sondern nur noch eines: Eine der größten Investitionen in der Burgdorfer Stadtgeschichte binnen weniger Tage durch die Gremien 'peitschen'. Die Mandatsträger und -trägerinnen sollen offenbar nur noch eines: Bitte keine kritischen Fragen stellen, sondern 'zustimmen'.

 

Mit der Zustimmung zu einem Beschlussvorschlag ist das so eine Sache. Mit der Zustimmung macht man sich das Bauhofprojekt zu eigen und bekundet seine Überzeugung von der Richtigkeit der Entscheidung. Aber setzt das nicht voraus, dass man weiß, worüber man inhaltlich abstimmen soll und was der Beschluss für die Stadt Burgdorf bedeuten wird? Welches Ausschuss- oder Ratsmitglied, weiß worüber abgestimmt wird? Die Zustimmung ermächtigt den Bürgermeister zum Abschluss eines Totalübernehmervertrags mit einem Bauunternehmen. Doch welches der Ausschuss- oder Ratsmitglieder hat den Vertrag gelesen, geschweige denn verstanden? Als ich in der letzten Woche dankenswerter Weise Akteneinsicht nehmen konnte, machte es den Eindruck, dass ich das erste und einzige Ratsmitglied war, was von seinem Recht bis dahin Gebrauch gemacht hatte.

 

Keines der Ratsmitglieder, die nun dem Abschluss eines Totalübernehmervertrags zustimmen sollen, hat die vollständigen Vertragsunterlagen gelesen, geschweige denn verstanden. Allein die Anlage 1 zum Vertrag, die funktionale Baubeschreibung umfasst mehrere hundert Seiten bestehend aus: 1) Planung + Bau, 2) Außenanlagen, 3) Heizung, Raumlufttechnik und sanitäre Installationen, 4) Einrichtung, 5) Elektrotechnik und 6) mehrere hundert Seiten Raumbuch. Eine nachvollziehbare Baukostenberechnung ist den Vertragsunterlagen nicht zu entnehmen, wohl aber umfassende Mitwirkungspflichten der Stadt Burgdorf bei der Plangenehmigung.

 

Wer einem solchen Vertragswerk guten Gewissens zustimmen will, braucht entweder Zeit, um zu verstehen, worüber abgestimmt werden soll, oder blindes, grenzenloses Vertrauen in den Bürgermeister und / oder seine Verwaltung. Für eine vernünftige nicht nur rechtliche, sondern auch technische, bauwirtschaftliche Prüfung lässt der Bürgermeister den verantwortlichen Gremien keine Zeit. Wer bei dieser Lage dem Vertragswerk zustimmt, nimmt sehenden Auges die im Vertragswerk schlummernden Kostenrisiken in Kauf. Mit haushaltsschonender Mittelbewirtschaftung hat das nichts zu tun.

 

Allein von 2019 bis 2023 verdoppelten sich die Kosten für den Bauhof. Selbst der großzügig berechnete Kostenansatz im Haushalt 2023 / 24 von ca. € 23 Mio. soll nun nicht einmal mehr reichen, um den 'Wünsch Dir Was - Bauhof' zu realisieren. Der erste Nachtrag liegt schon vor der Beauftragung des Totalübernehmers auf dem Tisch. Anders als geplant, werden nun auch noch extra Finanzierungskosten im Millionenbereich fällig. Ganz zu schweigen von einem Wartungsvertrag, dem sogenannten 'Betriebskonzept' in Millionenhöhe, der dem Bauunternehmen im gleichen Zuge zugeschanzt werden soll.

 

Der Stadtverwaltung Burgdorf fehlt die Erfahrung mit der Steuerung von Großbauvorhaben. Selbst kleine Bauvorhaben wie die neue Kita in der Südstadt laufen gnadenlos aus dem Ruder. Gleiches gilt für die geplanten Kosten beim Feuerwehrhaus in Schillerslage oder die Rathäuser I + II. Inzwischen mehren sich auch die Zweifel, ob die Stadt die Baukosten für die IGS unter Kontrolle halten kann. Als kleine Fraktion kann die FDP nur durch Anträge und Anfragen Alternativen zu den Beschlussvorlagen des Bürgermeisters und seiner Verwaltung aufzeigen. Wir appellieren mit diesem Schreiben an die Fraktionen und an die wirtschaftliche Vernunft der Ratsmitglieder. Anfang des Jahres haben wir daher beantragt, bei den noch nicht in Ausführung befindlichen Bauprojekten Kosteneinsparungen in Höhe von 30% zu realisieren. Nach dem Schreiben der Kommunalaufsicht vom 8.5.2023 haben wir den Bürgermeister aufgefordert, seine Ideen zu einer sparsamen Bewirtschaftung der Haushaltsmittel zu entwickeln und zu präsentieren. Da unsere Bemühungen ergebnislos blieben, hat die FDP beantragt, die geplanten Vorhaben Rathäuser I + II und den Bauhof zu stoppen und durch alternative Lösungen zu ersetzen. Stattdessen versuchen Bürgermeister und Verwaltung mit aller Macht die Bauvorhaben - nicht nur im Rahmen der geplanten Haushaltsansätze, sondern nun sogar noch darüber hinaus - unter Inkaufnahme weiterer Millionenkredite auf 'Biegen und Brechen' zu realisieren.

 

Wir haben gezeigt, dass es auch anders gehen könnte - wenn man wollte. Die in dieser Woche anstehenden Beratungen zum Bauhof sollten wir nutzen, um zu zeigen, dass es auch anders gehen kann als dem Bürgermeister und der Verwaltung kritiklos und ohnmächtig zu folgen. Der Rat hat es in der Hand. Wir sollten uns die für eine sorgfältige Prüfung des Vertragswerks erforderliche Zeit nehmen und nochmals über kreative und schnelle Alternativen nachdenken."