Burgdorf
Freitag, 11.11.2022 - 16:12 Uhr

Weitere Stolpersteine in der Stadt verlegt

Endlich war Walter Koninski jun. seinem Großvater Hermann Koninsky nahe

Marliese und Walter Koninski jun. waren aus Hamburg angereist, um der Stolpersteinverlegung für Großvater Hermann Koninsky in der Hannoverschen Neustadt 12 persönlich beizuwohnen.Aufn.: Georg Bosse

BURGDORF

Ob das Scheitern der Märzrevolution (1848), die Novemberrevolution (1918) der Hitler-Ludendorff-Putsch (1923), die nationalistischen Novemberpogrome (1938) oder der Fall der Berliner Mauer (1989) - der 9. November ist historisch betrachtet der "Schicksalstag" der Deutschen. 

 

In Burgdorf hat sich der Arbeitskreis "Gedenkweg 9. November" um Sprecherin Dr. Judith Rohde dezidiert zur Aufgabe gemacht, die Erinnerung an die verfolgten und ermordeten Burgdorfer Jüdinnen und Juden aufrechtzuerhalten. Den bereits 35 in der Stadt verlegten Stolpersteine wurden am gestrigen Mittwoch, 9. November 2022, sechs weitere hinzugefügt. 

 

Die Gedenkaktion wurde neben den Arbeitskreismitgliedern und Christa Bembenneck von jungen Leuten der 12. Jahrgangsklassen, angeführt von Jenifer Wöckener (Rudolf-Bembenneck-Gesamtschule) und Fabian Rode (Gymnasium Burgdorf), begleitet. Die in Handarbeit hergestellten Stolpersteine wurden von den Burgdorfer Bauhofmitarbeitern Karsten Paech und Uwe Springfeld bündig in den Bürgersteig integriert.

 

"Ich habe meinen Großvater Hermann Koninsky nie kennengelernt. Aber heute fühle ich mich ihm hier sehr nahe", sagte ein sichtlich ergriffener Walter Koninski jun., der sich mit Gattin Marliese von Hamburg aus auf den Weg nach Burgdorf gemacht hatte, um an der Stolpersteinverlegung vor der Hausnummer "12" in der Hannoverschen Neustadt persönlich teilzunehmen. 

 

Die Eheleute Lesser und Dorette Koninsky waren Mitte der 1870er Jahre von Gommern nahe Magdeburg nach Burgdorf gezogen. Hier wurde im Juni 1885 Hermann Koninsky geboren. Der angesehene Kaufmann und sein Sohn waren aktive Mitglieder im Schützenverein der Stadt. Hermann gehörte bereits vor dem Ersten Weltkrieg dem "Club Germania" an.

 

Hermann heiratete im Juni 1920 in Hannover die Nichtjüdin Louise Sarnow aus Hameln, auf deren Wunsch hin der gemeinsame Nachname in "Koninski" geändert wurde. Am 23. Februar 1921 wurden Sohn Walter in Hannover und sein Bruder Horst 1926 in Burgdorf geboren. Über den Umweg Burgdorf und Lehrte lebte die kleine Familie später in Hamburg. Seit September 1936 oder April 1937 verliert sich in der Hansestadt die Spur von Hermann Koninski. Vermutlich ist er von Kassel aus im Juni 1942 mit unbekanntem Ziel deportiert worden. Er gilt als "im Osten verschollen".

 

Während ihrer Zeit in der Elbmetropole spielten die Brüder Walter und Horst Handball im Hamburger Sportverein (HSV). "Handball hat die beiden gerettet. Einflussreiche Mannschaftskameraden sorgten dafür, die Kriegsjahre zu überleben", erklärte Walter Koninski jun., Walters Sohn, kurz vor der Verlegung des Stolpersteins zum Gedenken an seinen Großvater Hermann Koninsky in der Hannoverschen Neustadt. 

 

Anschließend ging es für die Gedenkteilnehmer vor die Gebäudenummer "56" an der Marktstraße, wo seit Mai 1937 das Modekaufhaus Fehling ihren Sitz hat. Bis zwei Jahre vor Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte dort ab 1901 die Familie Georg Jacobsohn ihr Schuh- und Textilgeschäft geführt. 

 

Georg Jacobsohn wurde am 9. November 1872 in Pommern geboren und kam 1895 nach Burgdorf. Er trat 1905 der Freiwilligen Feuerwehr Burgdorf bei und gewann anlässlich der Weltausstellung 1911 in Turin mit sechs Kameraden einen Ehrenpreis bei einem Feuerwehrwettbewerb. 

 

Georg kämpfte im Ersten Weltkrieg als Frontsoldat für „Gott, Kaiser und Vaterland“ und war 1928 Mitbegründer des Verkehrs- und Verschönerungsvereins (VVV). Obwohl in der Hierarchie der Burgdorfer "Blauröcke" aufgestiegen, wurde sein Name 1933 aus dem Beitragsbuch der Feuerwehr mit dem Vermerk gestrichen: "ausgetreten am 1. September 1933". Laut einer Burgdorfer Feuerwehrsatzung vom Januar 1934 wurden alle nicht-arischen Mitglieder ausgeschlossen. Jüdische Kameraden kamen dieser Demütigung mit einem "freiwilligen" Austritt zuvor.

 

Nachdem im Mai 1937 Friedrich Fehling das Ladengeschäft übernommen hatte, zog Familie Jacobsohn nach Hannover. Am 15. Dezember 1941 wurden Georg, seine Frau Rosalie, Sohn Alfred, der ein Jahr zuvor Eva Johanna, geb. Stern, geheiratet hatte nach Riga deportiert.

 

Zu Georg Jacobsohns 150. Geburtstag wurden nun gestern für ihn, Rosalie, Alfred und Eva Johanna Stolpersteine vor dem Haus Marktstraße 56 eingesetzt, für die Jörg Fehling die Patenschaft übernommen hat. Die Freiwillige Feuerwehr Burgdorf beging nach dem Verlegen der Stolpersteine am Abend zu Ehren ihres Kameradens Georg Jacobsohn eine Gedenkfeier sowohl mit einer Abordnung in der Marktstraße wie auch im Feuerwehrhaus.

 

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Kölner Künstlers Gunter Demnig aus dem Jahr 1992. Die Idee dahinter ist unter anderem, die Namen der Opfer des ungeheuerlich verbrecherischen NS-Regimes, die in verschiedenen Konzentrationslagern (KZ) zu Nummern degradiert wurden, ins kollektive Gedächtnis zurückzurufen.  

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