Lehrte
Dienstag, 17.01.2023 - 18:00 Uhr

Szenische Lesung über Cato Bontjes van Beek und Sophie Scholl im Antikriegshaus Sievershausen

"Lerne mit dem Herzen zu denken! - Zwei kurze Leben im Widerstand"

Dr. Frauke Geyken und Johanna Kunze bei der Aufführung im Antikkriegshaus 2016.Aufn.: Antikriegshaus

SIEVERSHAUSEN

Am Freitag, 27. Januar 2023, um 19.30 Uhr, wird im Antikriegshaus Sievershausen, Kirchweg 4A, mit einer Aufführung der Theaterinitiative Bühnensturm der Shoa-Gedenktag begangen. Der 27. Januar, Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz durch die sowjetische Armee, wurde 1996 zum offiziellen Gedenktag zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft erklärt.

 

Das Theater stellt sich in der szenischen Lesung einer Frage, die bereits beim Bau des DankMals für gelebte Menschlichkeit vor dem Antikriegshaus eine wesentliche Rolle gespielt hat: Was ist Widerstand und wann beginnt er? Ist Widerstand das Attentat auf einen Diktator? Das Leben im Untergrund? Oder auch schon das Verteilen von Flugblättern? Verbotene Hilfe für Unterdrückte? Vielleicht bereits das Mitwissen geheimer Pläne? Das Treffen mit anderen kritisch Denkenden? Wie kann man eigentlich "Widerstand" definieren?

 

Die Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren: Eine ältere Dame kämpft verzweifelt um das Ansehen und den Ruf ihrer von den Nazis ermordeten Tochter, der Widerstandskämpferin Cato von Bontjes van Beek. Jahrelang wird die Mutter hingehalten und muss beweisen, dass ihre Tochter eine eigenständig politisch denkende junge Frau war, die ihren Mut mit dem Leben bezahlte. Ihr damaliger Richter Roeder konnte ungehindert gegen Cato aussagen.

 

Zeitgleich vereinnahmt Nachkriegs-Deutschland die Biografie von Sophie Scholl, eines jungen Mädchens, das ebenfalls und fast zur selben Zeit wie Cato verurteilt wurde und für seine Überzeugungen starb. Sophie Scholl wird wortwörtlich auf einen Sockel gestellt und zur Ikone des deutschen Widerstandes gemacht, wie ihn zu der Zeit nachträglich so viele herbeiwünschen. Ihre steht Büste steht in der Walhalla bei Regensburg, während Cato, die das gleiche tat, so gut wie vergessen ist. Mit einer umfangreichen Ausstellung in Fischerhude wurde dem endlich im Jahr 2016 entgegengewirkt.

 

Das Stück stellt die Biografien der jungen Frauen nebeneinander und zeigt, wie Widerstand im Alltag Platz fand. Es beleuchtet nachdrücklich, wie das junge Nachkriegsdeutschland nicht nach erlittenem Unrecht Recht sprach, sondern ideologisch zwischen "guten" (Weiße Rose) und "fragwürdigen", weil kommunistischen (Rote Kapelle) Widerstandsgruppen unterschied.

 

Sophie Scholl war zunächst, wie viele junge Leute aus dem gutbürgerlichen Milieu, vom neuen Nationalismus angetan und begeistert der Hitlerjugend beigetreten und leitete eine Jugendgruppe des BDM ("Bund Deutscher Mädchen"). Die anfängliche Euphorie schwand im Laufe der Zeit zunehmend durch die Einschränkung der Meinungsfreiheit durch die Nazis. Sie schloss sie sich der Gruppe "Weiße Rose" um ihren Bruder Hans an, verteilte illegal Flugblätter und wurde schließlich 1943 verhaftet, wegen Hochverrats zum Tode verurteilt und zusammen mit ihrem Bruder und seinen Freunden am 22. Februar 1943 hingerichtet.

 

Cato Bontjes van Beek, vergleichsweise unbekannt, wuchs in einer Künstlerfamilie im Umfeld von Worpswede auf, die früh gegen das Nazi-Regime eingestellt war, schloss sich im Winter 1941/42 in Berlin einer Widerstandsgruppe um Libertas und Harro Schulze-Boysen an, die die Nationalsozialisten später "Die rote Kapelle" nannten, eine angeblich aus Moskau geleitete Spionagegruppe, die illegale Schriften druckte und verteilte, zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten aufrief, Zwangsarbeitern mit Lebensmitteln und Kurierdiensten half. 1942 wurde sie verhaftet, vom Richter Manfred Roeder zum Tode verurteilt und am 5. August 1943 nach einem abgelehnten Gnadengesuch hingerichtet.

 

Der Eintritt zur Veranstaltung ist frei. Eine Förderung dieser Veranstaltung durch den Fonds "Frieden stiften" der ev.-luth. Landeskirche Hannovers wurde beantragt.