Burgdorf
Montag, 07.01.2019 - 18:37 Uhr

Dieter Heun und Heidi Rust stellen ihr neues Buch "Schatten auf der Seele" vor

Burgdorfer Zeitzeugen berichten von Krieg, Flucht und Vertreibung

Heun und Rust bei der RechercheAufn.:

BURGDORF

Um eine lebendige Erinnerung an die verhängnisvollen Auswirkungen des Zweiten Weltkriegs zu bewahren, ist die Aufzeichnung von authentischen Zeitzeugenberichten eine unverzichtbare Voraussetzung. Daran erinnerte der am 4. Januar 2018 verstorbene Pastor i. R. Rudolf Bembenneck in einer Ansprache zum Volkstrauertag am 18. November 2007. Jetzt vollendete das Autorengespann Dieter Heun und Heidi Rust diese Anregung mit der Veröffentlichung ihres zehnten gemeinsamen Werkes. Sie gaben ihm den Titel "Schatten auf der Seele - Burgdorfer Zeitzeugen berichten von Krieg, Flucht und Vertreibung".

 

Die vom Förderverein Stadtmuseum Burgdorf im Hardcover-Format herausgegebene, 324 Seiten umfassende Denkschrift ist der Erinnerung an Rudolf Bembenneck gewidmet. Die Herausgabe des Buches wurde möglich durch die Spenden zahlreicher Burgdorfer Bürger, Einrichtungen und Unternehmen. Der Verkaufserlös kommt der Arbeit des Stadtmuseums und der KulturWerkStadt zugute. "Schatten auf der Seele" ist zum Preis von 22 Euro bei Bleich Drucken und Stempeln (Braunschweiger Straße 2, nur dort für Mitglieder des VVV und des Fördervereins Stadtmuseum Burgdorf: 20 Euro), Buchhandlung FreyRaum (Marktstraße 54) und Wegeners Buchhandlung (Marktstraße 65) sowie im Stadtmuseum (Schmiedestraße 6) und in der KulturWerkStadt (Poststraße 2) zu den gewohnten Öffnungszeiten erhältlich.

Ein hautnaher Blick in eine Zeit der Unmenschlichkeit

Das Buch beruht auf Berichten von Burgdorfer Zeitzeugen. Bei vielen von ihnen hinterließen die fatalen Ereignisse des Zweiten Weltkrieges seelische Wunden, die sie ihr weiteres Leben als "Schatten auf der Seele" begleiteten und häufig unaus-gesprochen blieben. Es sind Dokumente von Not, Elend und Verzweiflung, von Gräueln und Unmenschlichem, von Hunger und Tod, aber auch von Irrtümern, Einsicht, Besonnenheit und Vernunft. In facettenreichen, teils kurzen, teils ausführlichen Aufzeichnungen sind die tragischen, manchmal von komischen Episoden unter¬brochenen Lebens- und Überlebensgeschichten von 24 Burgdorferinnen und Burgdorfern festgehalten. Sie gewähren einen direkten und hautnahen Blick in eine Zeit kaum fassbarer Unmenschlichkeit und ethischer Verwahrlosung.

Am Ende blieben nur Verzweiflung und Ausweglosigkeit

In manchen Aufzeichnungen der Burgdorfer Zeitzeugen spiegeln sich die anfänglich bedingungslose Identifizierung mit dem nationalsozialistischen Führerstaat und schließlich Verzweiflung, Angst und Ausweglosigkeit. So schreibt ein junger Fähnrich an seine 17-jährige Burgdorfer Brieffreundin: "Ich bin glücklich, den Kampf um die Freiheit unseres Volkes mit der Waffe in der Hand mitmachen zu dürfen". Nach Kriegsende ist hingegen im Brief eines Burgdorfer Kriegsgefangenen zu lesen: "Wahnsinnige Menschen haben uns betrogen und verraten - jetzt leiden wir Verführten". Diese Entwicklung wird auch deutlich in dem Tagebuch einer jungen Burgdorferin, die das Leben in der Stadt in den Jahren 1943 bis 1947 ausführlich und eindrucksvoll festgehalten hat.

Flucht und Vertreibung

Breiten Raum nimmt die Massenflucht der Deutschen aus Ostpreußen, Westpreußen, Pommern und Schlesien ein. In dem gigantischen Leidenszug verzweifelter Menschen ins vermeintlich rettende restdeutsche Reich sind auch zahlreiche spätere Burgdorfer. Entbehrungen und Ängste kennzeichnen ihre Berichte. Manche ihrer Darstellungen streifen die Grenzen des emotional Erträglichen. So etwa die Erinnerungen einer jungen Frau, die sich der Aufforderung des Vaters, in den Westen zu fliehen, widersetzt. Sie fühlt sich als Krankenschwester und angehende Ärztin den Kranken und Verwundeten verpflichtet und bleibt zunächst im russisch besetzten Teil Ostpreußens. Ein anderer Burgdorfer schildert seine Flucht über das zugefrorene Frische Haff. Er beschreibt nicht nur die Gefahren der Bruchstellen im Eis, sondern auch Angriffe durch Tiefflieger, die die Eisdecke bombardieren, so dass zahlreiche Menschen ertrinken und Kinder bei eisiger Kälte erfrieren. Zu lesen ist die tragische Geschichte eines Burgdorfers, der - mit seiner Familie auf der Flucht - vom Tod Hitlers erfährt und daraufhin nach Schlesien zurückkehrt. Ein Jahr später wird er von den polnischen Behörden im Rahmen der "Umsiedlung" aus seiner Heimat vertrieben.

Ungewöhnliche Texte

Einige Beiträge zeichnen sich durch ihre besondere Form aus. So etwa der Bericht über eine Kriegsgefangenschaft in einem Tagebuch, das - in gereimten Versen verfasst - einem Burgdorfer Kriegskameraden gewidmet ist. Eindrucksvoll sind auch die 1943 entstandenen Theaterszenen "Der Totentanz", in denen ein zum Wehrdienst einberufener Staatsanwalt, der später in Burgdorf lebte, in Form eines Lesedramas die verabscheuungswürdigen Machenschaften der Nationalsozialisten an den Pranger stellt. Den hochbrisanten Text verschwieg der Verfasser sogar seiner eigenen Familie. 

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