Burgdorf

Zukunft der Hochbrücke in der Marktstraße: Ausschuss sieht dringenden Handlungsbedarf

[BURGDORF]

Im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit, Liegenschaften und Verkehr ist am Donnerstag, 4. Dezember 2025, im Ratssaal des Burgdorfer Schlosses ausführlich über die Zukunft der Hochbrücke in der Marktstraße beraten worden. Grundlage war ein Gutachten des Ingenieurbüros Schüßler Plan aus Hannover, das die Standsicherheit und Restnutzungsdauer des Bauwerks untersucht hat.

Die Brücke über die Bahntrasse in Verlängerung der Marktstraße in Richtung B 443 wurde im Jahr 1974 gebaut. Sie besteht aus acht Spannbetonträgern mit jeweils 18 Meter langen Segmenten und kommt auf eine Gesamtlänge von rund 190 Metern. Wie die Ingenieure erläuterten, war die damals gewählte Bauweise mit Spannstahl aus heutiger Sicht problematisch. Das Stichwort lautet Spannungsrisskorrosion. Die Risiken dieser Bauweise seien zum Zeitpunkt der Errichtung noch nicht bekannt gewesen. Im Bereich der sogenannten Koppelfugen seien inzwischen Schäden festgestellt worden, die über verschiedene Verfahren untersucht wurden.

Nach Angaben von Schüßler Plan zeigt das Bauwerk zwar ein „Ankündigungsverhalten“ zwischen den Stützen, also Hinweise auf Materialermüdung, nicht aber direkt auf den Stützen selbst. Die rechnerischen Nachweise zur Tragfähigkeit seien derzeit alle erbracht, die statistische Ausfallwahrscheinlichkeit liege mit einer „Versagenschance“ von 0,00000001 weit unter dem zulässigen Grenzwert von 0,0001. Das Risiko eines plötzlichen Versagens sei damit nach derzeitigem Stand „nahezu null“. Gleichwohl sehen die Gutachter Handlungsbedarf. Damit die Brücke weiter betrieben werden kann, empfehlen sie eine regelmäßige Sonderprüfung im Abstand von drei Jahren und gehen bei einer Instandsetzung von einer verbleibenden Nutzungsdauer von etwa 25 Jahren aus.

Unabhängig von der grundsätzlichen Standsicherheit wurden konkrete Schäden aufgezeigt. Am Übergang von der Brücke zum Damm ist eine deutliche Metallkorrosion feststellbar, die zeitnah erneuert werden muss. Der Fahrbahnbelag weist zahlreiche Risse auf und ist seit dem Bau der Brücke noch nie grundlegend erneuert worden. Diese Mängel gelten als kurzfristig zu bearbeitende Instandsetzungsaufgaben.

Ausschussvorsitzender Hartmut Braun (Bündnis 90/Die Grünen) stellte die Frage, wie lange die Hochbrücke ohne größere Maßnahmen noch genutzt werden kann. Nach Einschätzung der Ingenieure liegt dieser Zeitraum bei maximal fünf bis zehn Jahren. Die Brücke sei für den heutigen Verkehr deutlich überdimensioniert, die vorhandenen Schäden bestünden bereits seit mindestens zehn Jahren. Ohne grundlegende Maßnahmen werde die theoretische Nutzungsdauer des Überbaus – welche bei Brücken mit 70 Jahren angegeben wird – bis 2044 nicht ausgeschöpft werden können.

In der Sitzung wurde deutlich, dass die Stadt vor einer Grundsatzentscheidung steht: Entweder wird in eine größere Instandsetzung investiert, um Zeit zu gewinnen, oder es wird frühzeitig ein Ersatzneubau vorbereitet. Oder beides parallel verfolgt. Die Ingenieure erinnerten an eine Machbarkeitsuntersuchung aus dem Jahr 2020. Danach liegt die wirtschaftlich bevorzugte Variante in einem Ersatzneubau in der bestehenden Lage der Brücke. Ein solcher Neubau sei in der Bestandslage günstiger als eine Brücke in Südlage.

Die damals für eine umfassende Instandsetzung veranschlagten Kosten beliefen sich im Jahr 2018 auf etwa 890.000 Euro. Unter Berücksichtigung des Baukostenindex, der um rund 50 Prozent gestiegen sei, sei heute mit rund 1,5 Millionen Euro zu rechnen. Nach Darstellung von Schüßler Plan würde eine auf 50 Jahre angelegte Instandsetzung in einer Größenordnung liegen, die sich einem direkten Ersatzneubau annähere. Die Verwaltung sprach in diesem Zusammenhang davon, dass man sich mit einer großen Instandsetzung „für über eine Million Euro Zeit erkaufe“, ohne das grundsätzliche Problem zu lösen.

Für zusätzlichen Diskussionsstoff sorgte eine mögliche Überwachung der Brücke mit fest installierten Mikrofonsystemen. Eine solche technische Dauerüberwachung würde nach Angaben aus dem Gutachten rund 100.000 bis 200.000 Euro in einem Zeitraum von drei Jahren kosten. Es stellte sich daraufhin auch die Frage, ob dieses Geld nicht besser in konkrete bauliche Maßnahmen investiert werden sollte. Die Überwachung könnte zwar zusätzliche Erkenntnisse liefern, wäre aber nur sinnvoll, wenn sie über Jahre konsequent durchgeführt würde.

Ratsmitglied Björn Sund (SPD) hob hervor, dass das Gutachten „zur Erhellung beigetragen“ habe. Nach seiner Zusammenfassung sei das Risiko „latent vorhanden“, der Zeitraum von fünf bis zehn Jahren sei „knapp, und diese Jahre sind schnell vorbei“. Es bestehe dringender Handlungsbedarf, eine Machbarkeitsstudie für einen Ersatzneubau auf den Weg zu bringen und einen Überblick über die notwendigen Schritte zu gewinnen. Sund sprach von einer „riesigen Herausforderung für die Stadtverwaltung“, machte aber zugleich deutlich, dass die Brücke für den Verkehr in Burgdorf eine zentrale Rolle spiele. „Wenn die Stadt keine Brücke mehr hat, haben wir ein Problem, dieses Risiko können wir nicht eingehen“, lautete seine Einschätzung.

Lutz Wackermann, beratendes Ausschussmitglied, betonte, dass es aus seiner Sicht sinnvoller sei, Geld in Planung und Bau einer neuen Brücke zu stecken als in eine aufwendige Überwachung mit unklarem Mehrwert. Er verwies auf die Problematik der Bauzeit: Während eines Ersatzneubaus sei der Verkehr in der Marktstraße für einen Zeitraum von einem halben bis zu dreiviertel Jahr komplett unterbrochen. Diese Zeit sei „sehr, sehr wichtig“, sodass früh über bauliche und verkehrliche Lösungen nachgedacht werden müsse, um die Sperrphase so kurz wie möglich zu halten. Zugleich plädierte er dafür, nicht einfach das bestehende Bauwerk eins zu eins zu ersetzen, sondern einen „funktionell besseren“ Neubau zu planen. Dazu zählte er unter anderem eine verbesserte Anbindung an das Radverkehrsnetz.

Offen ist derzeit auch die grundsätzliche Bauform. Im Raum steht neben einer klassischen Brückenkonstruktion auch eine sogenannte Troglösung. Einig waren sich mehrere Ausschussmitglieder darin, dass die Planungen unabhängig vom Zeitpunkt des tatsächlichen Baus vorangetrieben werden sollten. Wackermann sprach davon, die Unterlagen bis zur Planfeststellung vorzubereiten, um „etwas in der Schublade zu haben“, falls ein Neubau kurzfristig erforderlich werde.

Susanne Paul (SPD) verwies auf die zeitliche Dimension: Ohne größere Instandsetzung sei nach Einschätzung der Ingenieure von einer Restnutzungsdauer von fünf bis zehn Jahren auszugehen. Wenn Planung und Bau eines Ersatzneubaus fünf Jahre in Anspruch nähmen, sei das „knapp“. Auch Sund machte deutlich, dass er „nicht unnötig Geld in das Bauwerk stecken“ wolle, aber in dieser Zeit ein Ersatzneubau vorbereitet werden müsse.

Oliver Sieke (CDU) erinnerte daran, dass beim Bau der Brücke damals „der zweitbilligste Stahl“ verwendet worden sei. Aus seiner Sicht sei es wichtig, sich nicht allein auf ein teures Überwachungssystem zu verlassen.

Außerdem wurde aufgeführt, frühzeitig die Deutsche Bahn als Eigentümerin der darunterliegenden Trasse einzubinden, denn bekannt sei, dass es hier zu zeitlichen Verzögerungen kommen könne.

Thomas Wortmann (CDU) stellte die Frage in den Raum, ob eine Instandsetzung für die Zeit bis zu einem möglichen Neubau auf den Weg gebracht werden solle. Gute Planung brauche ihre Zeit, entscheidend sei zunächst die Grundsatzfrage, ob und in welchem Umfang in die bestehende Brücke investiert werde.

Der Ausschussvorsitzende Hartmut Braun (Bündnis 90/Die Grünen) plädierte dafür, dass die Verwaltung für die nächste Sitzung eine ausführlichere Informationsvorlage erarbeiten soll. Mario Gawlik (Freigeist Burgdorf) wünschte sich zudem ein übersichtliches Faktenblatt, in dem die wichtigsten technischen und finanziellen Kennzahlen zusammengestellt sind. Die Verwaltung verwies darauf, dass im Januar mit konkreteren Zahlen zu rechnen sei.

Fest steht bereits jetzt: Die Hochbrücke in der Marktstraße wird die Stadt Burgdorf in den kommenden Jahren intensiv beschäftigen. Zwischen dem Ziel, die Brücke so lange wie möglich sicher zu nutzen, und der Notwendigkeit, rechtzeitig einen Ersatzneubau zu planen, werden Politik und Verwaltung einen tragfähigen Weg finden müssen.

Download als PDF

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"