Bauernverband-Präsident: "Die Landwirtschaft wird gebraucht, raus aus der Opferrolle"
LEHRTE
"Die Landwirtschaft wird in Deutschland gebraucht, deshalb raus aus der Opferrolle." Das war am gestrigen Dienstagabend, 1. Oktober 2024, das Schlusswort von Dr. Holger Hennies, Präsident des Niedersächsischen Bauernverbandes - offiziell Landvolk e. V. - nach seinem gut einstündigen Vortrag "Lage der Landwirtschaft - Bauernproteste - ein Blick hinter die Kulissen." Er war auf Einladung des Rotary-Clubs Lehrte-Burgdorfer Land in die Alte Schlosserei in Lehrte gekommen.
Holger Hennies, auch Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes und selbst praktischer Landwirt in einer Ackerbaubetriebsgemeinschaft mit vier anderen LandwirtInnen in Uetze-Schwüblingsen mit eigenem Kartoffelvertrieb, machte in seinem informativen sowie kurzweiligen Vortrag deutlich, "dass die Landwirtschaft besonders in Niedersachsen unverzichtbar ist. Wir brauchen ein neues Rollenbild für die Landwirtschaft, sie wird gebraucht, deshalb raus aus der Opferrolle." Der Referent hob besonders die Bedeutung der Landwirtschaft in Niedersachsen hervor: "Jede zweite Kartoffel in Deutschland kommt aus Niedersachsen. Mehr als jedes dritte Ei, die Hälfte des Geflügelfeisches, jedes dritte Schwein und jede fünfte Kuh kommen aus Niedersachsen." Rund 50 Prozent der Kühe stehen auf der Weide, Niedersachsens Kühe sind Spitzenreiter in Sachen Leistung." Und Niedersachsen sei Spargelland Nummer eins. Zudem wies er darauf hin, dass Umfragen zufolge der Bauer bei der Bedeutung der Berufe hinter den Ärzten und Pflegern, aber noch vor der Polizei, Rang drei belegt. Die Landwirtschaft sei hinter der Automobilindustrie der zweitwichtigste Arbeitgeber.
Das Problem der Landwirtschaft sei, so Hennies, dass das Bauernsterben zwar abgenommen habe, aber viele junge Leute trotz steigender Ausbildungszahlen nicht bereit seien, aus Mangel an Perspektive einen Betrieb zu übernehmen. "Es gibt zurzeit eine enorme Investitionszurückhaltung, die Bauern investieren nicht."
Drei Viertel der Umsätze der Landwirtschaft hängen an der Tierhaltung, berichtete Hennies. "Aber es gibt einen deutlichen Rückgang am Fleischverzehr." Besonders Schweinefleisch sei nicht mehr stark gefragt. Die Tierhaltung habe sich in Deutschland halbiert, viele Schweinehalter hätten aufgegeben. Ein weiteres Thema des Abends waren das Düngen und das Futter.
Diesen Kernsatz unterstrich Holger Hennies: "Wer Probleme lösen muss, die er nicht hat, der bekommt ein Problem." Die Stimmung in der Landwirtschaft gehe runter, und deshalb habe das Jahr 2024 stürmisch begonnen. Die Bauern zogen los, um zu protestieren. 27 000 Menschen seien auf die Straßen gegangen und die 33 000 landwirtschaftlichen Betriebe in Niedersachsen hätten viele Aktionen gestartet. "Auf Ebene der Europäischen Union ist deshalb einiges zurückgenommen worden." So wurde die Besteuerung von Kraftfahrzeugen gekippt sowie unter anderem die Versicherungspflicht für Mähdrescher und Gabelstabler. Auch das Pflanzenschutzpaket sei entschärft worden.
Holger Hennies machte zum Schluss seines Referates deutlich, dass das Suchen von Dialogen wichtig sei. "Unser Verband muss Lösungen für die Landwirtschaft aufzeigen. Ein neues Rollenbild für die Landwirtschaft ist besonders wichtig für die Zukunft. Die Tierhaltung gehört nach Niedersachsen, denn für die Milchproduktion ist Niedersachsen der weltweit beste Standort."
Björn Rohloff, Präsident des Rotary-Clubs Lehrte-Burgdorfer Land, überreichte Dr. Holger Hennies nach dessen Vortrag Honig aus Röddensen, und er bedanke sich für diesen informativen Abend. Zu Beginn dieser Veranstaltung freute sich Rohloff besonders darüber, dass 16 Mitglieder des Lion-Clubs Lehrte-Sehnde gekommen sind und darüber, dass es gelungen ist, Dr. Holger Hennies zu verpflichten.