Wedemark
Mittwoch, 09.11.2022 - 17:08 Uhr

Bürgerinitiative wendet sich gegen Bebauungsplan-Änderung in Mellendorf

"Diese Baupolitik der Gemeinde Wedemark ist falsch"

MELLENDORF

Die Bürgerinitiative (BI) "Altes Dorf" möchte die Änderung eines Bebauungsplanes (B-Plan 11/15 "Auf dem Kreuze") verhindern. Hierzu haben die Mitglieder der Initiative zahlreiche Eingaben an die Gemeindeverwaltung geschickt und Unterschriftenlisten abgegeben. "Mit der Änderung des B-Planes verfolgt die Gemeinde Wedemark das Ziel, den Spielplatz 'Allerhop' durch ein Mehrparteienmietshaus zu ersetzen", so die BI. Die Initiative schließt damit an ihre Aktivitäten aus dem vergangenen Jahr an. Damals ging es ihr um die Verhinderung eines B-Plans, welcher den Ersatz der historischen Hofanlage an der Kreuzung Allerhop-Pechriede durch eine zweieinhalbgeschossige Wohnanlage mit einer Baukörperlänge von bis zu 50 Metern ermöglichen sollte. 

 

"In der Wedemark wird aktuell sehr viel gebaut. Dass damit Wohnraum geschaffen wird ist grundsätzlich zu begrüßen. Das Problem dabei ist allerdings die Umsetzung, die offenbar nur eine kurzfristige Perspektive berücksichtigt. Mit ihrer Investoren-freundlichen Politik verfolgt die Bauverwaltung der Wedemark ein Wohnungsbau-Programm, das Gefahr läuft, die Gemeinde zur gesichtslosen Schlafstadt zu machen und die zum Verkehrskollaps führt. Mehr Wohnraum bedeutet höhere Zuzugszahlen und damit mehr Autos und mehr Verkehr. Die mehr als 100 Jahre alten bäuerlichen Verkehrsstrukturen gerade in den großen Ortschaften der Wedemark sind für eine solche Verdichtung nicht gemacht und nicht geeignet - es drohen der Zusammenbruch des Verkehrs, die Verödung des Ortbildes und der Verlust an Identität und Lebensqualität für die Menschen in der Wedemark", urteilt die BI.

 

Hintergrund dieses Prozesses ist das Baurecht, das in Wohngebieten grundsätzlich nur eine Bebauung zulässt, die sich an der Umgebungsbebauung orientiert. Im Quartier "Altes Dorf" ist dies in der Regel eine eineinhalbgeschossige Bebauung. Um höher bauen zu können und die Bauflächen noch besser ausnutzen zu können, ist es notwendig, für das jeweilige Grundstück einen entsprechenden Bebauungsplan (B-Plan) in Kraft zu setzen.

 

"Um dies zu erreichen stellt die Gemeinde Wedemark regelmäßig für verschiedene Ortsteile B-Pläne auf. Deren Ziel ist meist die Erhöhung der Geschosszahl auf 2,5. Zugleich wird meist die Grundflächenzahl (GRZ), also das Maß der auf dem Grundstück bebaubaren Fläche erhöht, im Fall des B-Plans 11/15 um rund 20 Prozent auf 3,5. Dies steigert fraglos die Bautätigkeit. Das Problem dabei: Die mittel- und langfristigen Folgen berücksichtigt die Bauverwaltung nicht, denn: Diese B-Pläne verändern aufgrund der Orientierungspflicht an der Umgebungsbebauung auch das Baurecht auf allen Grundstücken im Umkreis. Wurde erst einmal auf Basis des B-Plans neu gebaut, so gelten nun auch auf den Umgebungsgrundstücken der Richtwert der höheren Geschosszahl und die erweiterte GRZ", erklärt die BI. Olaf Mußmann von der BI: "Der Bauausweitung mit einem ungebremsten Zuzug von Menschen mit ihren Autos wäre mitsamt den entsprechenden negativen Folgen Tür und Tor geöffnet."

 

In vielen Wohngebieten der Wedemark Häuser gebe es abgängige Häuser aus den 60er und 70er-Jahren. 2Mit ihrer B-Plan-Politik eröffnet die Gemeinde die großflächige Umgestaltung der Wedemark: Alte und identitätsstiftende Bauernhäuser werden abgerissen und durch gesichtslose Mehrparteienbebauung ersetzt, die eine bestmögliche Kapitalisierung der Baukosten erlauben, und die mit kostensparender und langweiliger Architektur zum städtebaulichen Gesichtsverlust in der Wedemark beitragen. Beispiele hierfür gibt es inzwischen viele, ob in Mellendorf, in Bissendorf oder in den anderen Ortsteilen. Die Aufstellung einer regulierenden Gestaltungssatzung hat die Gemeinde bislang vermieden", betont er.

 

Die Bürgerinitiative verweist auf die Folgen dieser Baupolitik und darauf, welche Auswirkungen die Aufstellung des B-Planes für das Spielplatz- und Seegrundstück für das Quartier "Altes Dorf" hätte. Sie hat ausgerechnet, dass der B-Plan den Zuzug von bis zu 50 Personen mit statistisch 26 Autos ermöglichen würde. Sofern der B-Plan Gültigkeit erlangen würde, würde Ähnliches unweigerlich auch auf weiteren Grundstücken der Umgebung erfolgen. "Die Folge wäre ein exponentieller Anstieg der Zuzugszahlen mit einer Vervielfachung der Anzahl der Autos im Quartier und schlussendlich einem Zusammenbruch der Infrastruktur im Quartier 'Altes Dorf'", befürchtet die BI.

 

Die Initiative macht die heute schon dramatische Verkehrs- und Parkplatzsituation deutlich. Petra Helbig von der BI: "Für uns und unser Büro ist es hier heute schon schwer - unsere Kunden und Beschäftigten finden hier in der Pechriede kaum noch einen Parkplatz. Auf dieser doch sehr schmalen Straße wurde einem unsere Kunden kürzlich sogar ein Spiegel abgefahren - der Täter beging Fahrerflucht." Ihr Mann Michael Helbig pflichtet ihr bei: "Meine Mutter wohnt in der Seniorenresidenz am Rebenweg. Freunde, die Sie besuchen möchten, finden dort kaum noch einen Parkplatz. Für Menschen des älteren Semesters ist das ein großen Problem." Jörg Schmidt fügt an: "Als Senior bin ich mit dem Rollator unterwegs. Auf den schmalen Bürgersteigen muss ich bei Begegnungen auf die Straße ausweichen. Das ist schon jetzt oft gefährlich, und wenn noch mehr Menschen hierherziehen und die Straßen mit ihren Autos weiter zuparken wird das Problem doch noch drängender." Olaf Mußmann verweist darauf, dass sich der Allerhop und die Pechriede zu Schleichwegen durch das Quartier entwickelt haben. "Hier wird oft sehr zügig gefahren, und die Anwohner trauen sich schon heute kaum noch, ein Auto auf der Straße zu parken. Bei noch mehr Wohnraum wird das unvermeidlich, und auf den schmalen Straßen droht dann die Gefahr, dass Rettungsfahrzeuge stecken bleiben und dass es zu noch mehr Rangierunfällen kommt." Auf ein weiteres Problem verweist Anne Basedau: "Es ist ärgerlich, dass die Gemeinde den Spielplatz erst hat verkommen lassen, um dann zu sagen, er würde ja nicht mehr gebraucht. Seit der letzten Erhebung der Gemeinde sind hier zahlreich Familien mit Kindern zugezogen. Dieser Spielplatz wird unbedingt gebraucht. Und mit der wachsenden Verkehrs- und Parkdichte nehmen die Gefahren für spielende Kinder zu, die zwischen parkenden Autos kaum zu sehen sind und die ja die Straßen auch überqueren müssen." Die Initiative verweist weiter darauf, dass auch aufgrund des geplanten Baugebietes im Bereich Ortsriede-Schaumburger Straße mit einer weiteren Vervielfachung des Verkehrs zu rechnen sein, denn der von und nach Hannover fließende Verkehr wird über die Ortsriede direkt durch das Viertel "Altes Dorf" verlaufen.

 

Ziel der Bürgerinitiative ist es, "die unreflektierte Ausweitung der Bebauungsmöglichkeiten im Quartier 'Altes Dorf' und die Änderung des B-Plan 11/15 mit einer Erhöhung der möglichen Geschosszahlen und der GRZ zu verhindern". Nach Meinung der Bürgerinitiative muss die bestehende Geschoßzahl von 1,5 einschließlich dazu passender Trauf- und Firsthöhen und eine GRZ von 3 festgeschrieben werden. Außerdem streitet sie dafür, den bestehenden Spielplatz zu sanieren und ihn im Sinne einer familienfreundlichen Kommune zu erhalten. 

 

Für eine gute Planungsgrundlage fordert die Initiative eine kompetente Risikoanalyse mit einem unabhängigen Gutachten zu den Bevölkerungseffekten der B-Plan-Änderungen inklusive der baurechtlichen Ausstrahlung auf das gesamte Quartier. Hierzu müsse auch eine Neuberechung des Spielplatzbedarfs gehören. Außerdem fordert sie ein Verkehrsgutachten, dass auch die Folgeeffekte des B-Plans mit dem dadurch getriebenen Bevölkerungsanstieges für das Quartier "Altes Dorf" und für ganz Mellendorf einschließlich der aus dem Baugebiet Ortsriede-Schaumburger Straße resultierenden Verkehrseffekte ermittelt. Da auch die Belange des Artenschutzes und insbesondere der Fledermäuse, die das Seegrundstück laut einer Vielzahl von Beobachtungen als Jagdrevier nutzen, ebenfalls nicht berücksichtigt seien, fordert die Initiative weiter ein Artenschutzgutachten, das auch eine Untersuchung und Sicherung des Baumbestandes beinhalten muss. Die Initiative vermisst am aktuellen B-Plan-Entwurf jegliche Risikosensibilität. "Im Gegenteil: Die Bauverwaltung verweist alleine darauf, sie keinerlei Probleme erkennen kann", so die BI abschließend.