Region Hannover
Freitag, 15.07.2022 - 18:33 Uhr

Rekorde bei den Weißstörchen in der Region Hannover im Jahre 2022

Aufn.:

REGION

Mehr Paare, mehr Junge: Hannovers Störche sorgen auch in diesem Jahr für neue Rekorde. Das geht aus dem Zwischenbericht des Beauftragten für die Weißstörche in der Region Hannover, Dr. Reinhard Löhmer, hervor. Nachfolgend sein Zwischenbericht.

 

Vorbemerkung

Die ersten Jungstörche der laufenden Brutsaison sind bereits seit drei Wochen flügge und werden in Kürze den Familienverband verlassen. Die Mehrzahl der Jungen ist kurz vor dem Ausfliegen. Einige Nachzügler werden erst Mitte August folgen. Es ist also Zeit für eine (vorläufige) Bilanzierung der Storchensaison in der Region Hannover.

 

Verlauf der Brutsaison

Das Storchenjahr 2022 begann mit der nochmals früheren Rückkehr der Westzieher. Schon im Februar waren sie nahezu vollzählig auf ihren Horsten. Die ersten Ostzieher trafen ab Mitte März ein. Den ganzen April hindurch - mit einem Schwerpunkt am Ende des Monats - gab es weitere Paare, die brüten wollten. Unbesetzte Nester waren zu diesem Zeitpunkt "Mangelware". Die brutwilligen Störche mussten auf bis dahin nie besetzten Nisthilfen Quartier nehmen oder aber sich selbst eine Bleibe suchen. In der Region Hannover hat es noch nie so viele Neugründungen gegeben, die ohne Hilfen gebaut worden sind. Auffällig war dabei, dass die Störche vielfach wie die Graureiher in Bäumen gesiedelt haben - insgesamt 14 Nester.

 

Im Vergleich zum Vorjahr gab es 27 neue Neststandorte

Die Störche haben sich dabei als wahre Baumeister gezeigt und ihre Fähigkeit bewiesen, ohne Hilfen Nester bauen zu können. Für die Zukunft bedeutet das, dass man keine weiteren Nisthilfen aufstellen muss und es den Störchen überlassen sollte, wo und wie dicht sie zueinander siedeln wollen. Das ist der (biologisch) beste Weg in der weiteren Entwicklung des Bestandes. 

 

Erwartungsgemäß machte sich in diesem Jahr der nachwuchsstarke Jahrgang 2019 (Mäusejahr) erneut im Bestand bemerkbar. Anhand von Ring-Ablesungen konnte bestätigt werden, dass diese jetzt dreijährigen Störche inzwischen voll in die Brutpopulation integriert sind. Die frühen Westzieher sind ab Mitte März zur Brut geschritten, die "Nachzügler" teilweise erst Anfang Mai.

 

Im Vergleich zum Vorjahr (102 besetzte Nester) gab es in diesem Jahr mit 129 Brutpaaren nochmals einen Zuwachs um mehr als 20 Prozent. So viele Störche hat es in der Region in historischer Zeit noch nie geben.  Spitzenreiter ist die Stadt Wunstorf mit nunmehr 29 Paaren, gefolgt von der Stadt Neustadt mit 28 Paaren

 

Der vor allem im letzten Jahrzehnt zu beobachtende Zuwachs ist schon erstaunlich und ist im Vergleich zu anderen Vogelarten ungewöhnlich. Er basiert im Wesentlichen auf der Zunahme der Westzieher. 1988 war der Tiefststand bei den Regionsstörchen mit nur neun Paaren. Auch die Zahl von 1934 mit 55 Paaren war deutlich niedriger ausgefallen.

 

Von den 129 Paaren haben 105 erfolgreich gebrütet.  Sie werden am Ende der Saison 220 Junge aufgezogen haben.  24 Paare oder 18,6 Prozent aller Paare sind ohne Bruterfolg geblieben. 

 

Für die Entwicklung der Jungen war das "Aprilwetter" bis Ende Mai deutlich zu kühl. Vor allem aber fehlte der Regen. Wenig Niederschlag bedeutet, dass die Eltern kaum die für die frühe Aufzucht so wichtigen Regenwürmer erbeuten konnten, niedrige Temperaturen bedeuten, dass es an (Groß-) Insekten fehlte. Es gab somit Engpässe in der Futterbeschaffung beziehungsweise in der Versorgung der Jungen. Erst seit kurzem hat sich die Situation durch die Heuschrecken gebessert. 

 

Die Anzahl der Paare ohne Junge ist mit 18,6 Prozent aller Paare vergleichsweise "unauffällig".  Auffällig ist dagegen, dass fast 30 Prozent aller Paare nur ein Junges und etwa 40 Prozent lediglich zwei Junge aufgezogen haben. Diese Jungenzahlen spiegeln die Engpässe in der Versorgung wider. Immerhin gab es aber auch 27 Paare mit drei Jungen. Sechs Paare konnten sogar vier Junge aufziehen (Dachtmissen, Alt-Garbsen, Koldingen, Bokeloh/Nord, Idensen/Sigwardskirche, Steinhude/Orstmitte). 

 

Bemerkenswert ist dabei der Bruterfolg der beiden "Oldies" in Bokeloh. Der Storch ist jetzt 27 Jahre alt und seit 2001 Brutvogel auf dem Nest. Die Störchin stammt aus dem Elsass, brütet seit 16 Jahren in Bokeloh und ist inzwischen 23 Jahre alt.

 

Mit einem Bruterfolg von 1,7 Junge pro alle Paare liegt das Ergebnis im Bereich des langjährigen Mittels.

 

Ausblick

Die Ursachen für den anhaltenden "Boom" im Bestand basieren vor allem auf Entwicklungen bei den Westziehern, denen inzwischen deutlich mehr als 60 Prozent aller Brutvögel in der Region zuzuordnen sind. Durch die Überwinterung im spanischen Raum, zum Teil auch schon in Mitteluropa sind ihre Zugwege kürzer geworden. Dadurch haben sich die Verluste auf den Zugwegen und im Winterquartier verringert. Folglich kommen mehr westziehende Störche in ihr Geburtsgebiet zurück.

 

Auffällig bleibt weiterhin, dass sich immer mehr jüngere, zweijährige Störche im Sommer im Brutgebiet aufhalten und auch schon brüten. Die Paare rücken näher zusammen, was sich insbesondere entlang des Leinetals zeigt. Die größere Siedlungsdichte erhöht dann aber auch die territoriale Konkurrenz und Aggression. Diese können nicht durch ein zusätzliches Angebot an Nisthilfen "behoben" werden, denn letztendlich bleibt die "Storchfähigkeit" des Lebensraumes von entscheidender Bedeutung.