Sehnde
Dienstag, 05.07.2022 - 17:03 Uhr

Fach-Symposium Depression am Wahrendorff Klinikum

Hohe Fachkompetenz für mehr individualisierte Therapie

Sie gaben mit ihrer fachlichen Expertise einen guten Überblick über neue Behandlungsmöglichkeiten von Depressionen (von links): Prof. Dr. Dipl. Psych. Sven Benson, Dr. Petra Dallmann und Prof. Dr. Marc Ziegenbein. Mit dem VR-Projekt Impression Depression mit dabei: Gianluca Maione und Fabian Schweiger von der Robert-Enke-Stiftung.Aufn.: Wahrendorff

ILTEN

Ende Juni veranstaltete das Wahrendorff Klinikum ein Fach-Symposium zum Thema Depression. Mehr als 100 Teilnehmer nutzten die Möglichkeit zum fachlichen und persönlichen Austausch. Sie erlebten einen abwechslungsreichen Tag im Klinikum mit von Expertise sprühenden Fachvorträgen, Virtual-Reality-Erlebniswelten depressiv Erkrankter und Einblicke in die besonders an den Menschen ausgerichtete Klinikarchitektur des im kommenden Jahr in Betrieb gehenden Neubaus von Wahrendorff.

 

Symptomorientierte individualisierte Therapie

Prof. Dr. med. Marc Ziegenbein, Ärztlicher Direktor und Chefarzt des Wahrendorff Klinikums, führte locker durch die Veranstaltung und gab zugleich einen informativen Überblick zu neuen Behandlungsmöglichkeiten der Depression und hob dabei insbesondere die symptomorientierte individualisierte Therapie, die sich an den Bedürfnissen der Patienten orientiert, in den Mittelpunkt seines Vortrages. Dabei habe man im Wahrendorff Klinikum auch sehr gute Erfahrungen mit genderspezifischen Angeboten in einer eigenen Tagesklinik für Frauen und einer Tagesklinik für Männer gemacht. Und die Psychotherapie ist bei Depression hochwirksam. Bis zu 80 Prozent der Patienten zeigen im Verlauf eine klinisch bedeutsame Verbesserung mit Symptomabnahme und einem besseren Zurechtkommen im Alltag. Sport-, Kunst-, Musik- und Tiertherapie sind wertvolle Unterstützer in der Behandlung.  Zur ausdrücklichen Vorsicht mahnte Prof. Ziegenbein vor frei verkäuflichen Substanzen zur Depressionsbehandlung aus dem Internet. Häufig würden damit Erkrankungen der Leber einhergehen.

 

Spitzensport und seelische Erkrankungen

Dr. med. Petra Dallmann, Ärztliche Leitung der Spezialsprechstunde für Leistungssportler in der Klinik für Allgemeine Psychiatrie am Universitätsklinikum Heidelberg, selbst ehemalige Leistungsschwimmerin mit Olympiamedaille, Welt- und Europameisterin, führte das Fachpublikum einmal in die Welt des Spitzensports und seelische Erkrankungen. Auch hier sind Depressionen und seelische Erkrankungen so häufig wie in der gesamten Gesellschaft. In ihrer Sprechstunde sind insbesondere Depressionen und Essstörungen sehr häufig. Je nach Sportart zeigen bis zu 30 Prozent der Sportlerinnen und Sportler ein auffälliges Essverhalten. Sportarten, in denen ein niedriges Gewicht Vorteile bringt, oder Sportarten mit Gewichtsklassen können eine große Belastung sein. "Psychische Erkrankungen sind gut behandelbar und bedeuten nicht das Karriereende. Aber es benötigt im Leistungssport auch eine professionelle Betreuung der Psyche und eine Entstigmatisierung", fasste Dr. Dallmann zusammen, die seit 2020 auch fachliche Präsenz am Olympiastützpunkt zeigt. "Die Psychiatrie gehört hier neben der Sportmedizin und der Orthopädie als Fachbereich dazu."

 

Psychologische und neurobiologische Grundlagen von Placebo- und Nocebo-Effekten

Studienergebnisse über Studienergebnisse gab es dann in Fülle von Prof. Dr. Dipl. Psych. Sven Benson, Professor im Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensimmunbiologie am Universitätsklinikum Essen. Trotz der zahlreichen empirischen Daten blieben alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer hellwach. Unterhaltend präsentierte Prof. Benson psychologische und neurobiologische Grundlagen von Placebo- und Nocebo-Effekten. Kommunikation und Empathie des Behandlungsteams und die Erwartungshaltung der Patientinnen und Patienten beeinflussen den Therapieverlauf entscheidend. Das ist auch neurobiologisch messbar. Information, Aufklärung und Ansprache können im positiven Sinn einen Placebo-Effekt (wie ein Schein-Medikament), umgekehrt aber auch einen Nocebo-Effekt haben. Prof. Benson machte auf Basis zahlreicher wissenschaftlicher Ergebnisse deutlich, dass unterschiedliche Formulierungen einer Botschaft – bei gleichem Inhalt - die Erwartung und damit auch das Verhalten der Patienten unterschiedlich beeinflussen. Ein positives Framing, eine patientenzugewandte Kommunikation, eine angstlösende Aufklärung vermeiden Nocebo-Effekte. Aber auch weitere Kontextfaktoren können in der Therapie neben der Interaktion, der Beziehung und den Gesprächen wesentlich zum Erfolg beitragen und haben psychologische Aspekte. Beispielhaft konnten bei Patienten, die in Zimmern mit Blick ins Grüne untergebracht waren, weniger starke Schmerzmittel eingesetzt und die Patienten früher entlassen werden. Nach der OP wurden weniger Komplikationen verzeichnet.

 

Therapeutische Architektur, Virtual Reality und Tele-Therapeuten

Das Symposium endete mit einem Blick in die architektonische Zukunft des Wahrendorff Klinikums, mitten im Grünen gelegen, mit Kunst und Licht ganz besonders ausgestattet. Auf großes Interesse stieß dabei die Möglichkeit, mit Hilfe eines Virtual Reality Projektes der Robert-Enke-Stiftung, in die Welten von Menschen mit Depressionen einzutauchen. Versehen mit einer VR-Brille und einer schweren Gewichtsweste erlebten die Teilnehmenden wahlweise die Depression eines Profifußballspielers oder die einer jungen Frau, der es nicht mehr gelingt, den Alltag aktiv zu gestalten, gefangen ist in ihrer schweren Welt mit dunklen erdrückenden Wänden.  Die Robert-Enke-Stiftung rückt mit der Aktion Impression Depression das Thema in die Mitte der Gesellschaft, dank VR mit ganz anderer Erlebbarkeit, wenn auch keine Depression der anderen gleicht.

 

"Auch in der Behandlung von Depressionen kann die VR-gestützte Therapie uns Hilfe sein", zeigte Prof. Ziegenbein abschließend auf. "Dieser Tele-Therapeut ist gut einsetzbar beim Erleben von Alltagssituationen und -herausforderungen, dem Training sozialer Fähigkeiten, der Genusstherapie, bei Traumreisen, beim Umgang mit Aggressionen, aber natürlich auch in der Ausbildung und dem Studium bietet es hohen Trainingseffekt."